Im Herz tobt altes Grollen, Der Sturm pfeift durch die Luft – »Du kommst mir eben rechte Des Weges, welscher Schuft! Dein Dolchstoß ist parieret, Nun, werter Freund, hab acht, Wie auf den welschen Schädel Die deutsche Klinge kracht!«– Die Sonn´ war untergegangen Fern, fern beim Vatikan; Sie schien des andern Morgens Auf einen toten Mann.
Hiddigeigei lebt mit Eifer Dem Beruf der Mäusetötung, Doch er zürnt nicht, wenn ein andrer Sich vergnügt an Sang und Flötung.Hiddigeigei spricht, der Alte: Pflück´ die Früchte, eh´ sie platzen; Wenn die magern Jahre kommen, Saug an der Erinn´rung Tatzen!
Auch ein ernstes gottesfürchtig Leben nicht vor Alter schützet, Mit Entrüstung seh´ ich, wie schon Graues Haar im Pelz mir sitzet. Ja die Zeit tilgt unbarmherzig, Was der einz´le keck geschaffen – Gegen diesen scharfgezahnten Feind gebricht es uns an Waffen.Und wir fallen ihm zum Opfer, Unbewundert und vergessen; – O ich möchte wütend an der Turmuhr beide Zeiger fressen!
Mai ist´s jetzo. Für den Denker, Der die Gründe der Erscheinung Kennt, ist dieses nicht befremdlich. In dem Mittelpunkt der Dinge Stehn zwei alte weiße Katzen, Diese drehn der Erde Achse, Dieser Drehung Folge ist dann Das System der Jahreszeiten. Doch warum im Monat Maie Ist das Aug´ mir so beweglich, Ist das Herz mir so erreglich? Und warum wie festgenagelt Muß im Tag ich sechzehn Stunden Zum Balkon hinüberschielen, Nach der blonden Mullimulli, Nach der schwarzen Stibizzina?
Im Hafen erschaust du kein Segel,Keines Menschen Fußtritt am Strand,Viel tausend reinliche VögelHüten das einsame Land…Gott segn´ euch, ihr trefflichen VögelAn ferner Guano-Küst´,Trotz meinem Landsmann, dem Hegel,Schafft ihr den gediegensten Mist.
Auch Hiddigeigei hat einstmals geschwärmt Für das Wahre und Gute und Schöne. Auch Hiddigeigei hat einst sich gehärmt Und geweint manch sehnsüchtige Träne. Auch Hiddigeigei ist einstmals erglüht Für die schönste der Katzenfrauen, Es klang wie des Troubadours Minnelied Begeistert sein nächtlich Miauen.Auch Hiddigeigei hat mutige Streich´ Vollführt einst, wie Roland im Rasen, Es schlugen die Menschen das Fell ihm weich, Sie träuften ihm Pech auf die Nasen.Auch Hiddigeigei hat spät erst erkannt, Daß die Liebste ihn schändlich betrogen, Daß mit einem ganz erbärmlichen Fant Sie verbotenen Umgang gepflogen.Da ward Hiddigeigei entsetzlich belehrt, Da ließ er das Schwärmen und Schmachten, Da ward er trotzig in sich gekehrt, Da lernt´ er die Welt verachten.
Willst die Welt du klar erschauen, Schaue erst, was vor dir liegt, Wie aus Stoffen und aus Kräften Sich ein Bau zusammenfügt. Laß die Starrheit des Gewordnen Künden, was belebend treibt; In dem Wechsel der Erscheinung Ahne das, was ewig bleibt.Aus dem Dünkel eignen Meinens Nie entkeimt die frische Saat, Im Nachdenken nur erschwingt sich Menschengeist zur Schöpfertat.
Maimorgengang, o still Entzücken:Der Äther strahlt im reinsten Blau,Und bräutlich will der Wald sich schmückenMit zartem Grün und Silbertau.Mit weichem, träumerischem SchläfernStrömt rings ein lauer Frühlingsduft,Und mit den Faltern und den KäfernDurchfliegt ein Blütenschnee die Luft;Die Halden blühn, die jüngst noch dorrten:Sieh´, es ist alles neu geworden.Erneut im Licht! so will´s des LebensGesetz, das allen Stoff durchkreist,Ahrimans Winter drohn vergebens,Der Sieg verbleibt dem guten Geist.Sein weltverjüngend MaienwunderWeckt Saft und Farbe, Ton und Klang,Drum schallt von allen Wipfeln munterDer Nachtigallen Lobgesang.Sie jubeln seiner denn in Worten:Sieh´, es ist alles neu geworden.Im Kies verstrüppter UferdämmeSchleicht heut mein Pfad feldaus, waldein,Da spiegeln wilde BirnbaumstämmeMit Ulm´ und Esche sich im Rhein.Auch ihn erfreun des Maien Wonnen,Sein Schuppenvolk taucht wohlig vor,Der Aal kommt schlängelnd sich zu sonnen,Laut plätschernd schnalzt der Hecht empor,Und murmelnd trägt´s die Flut gen Norden:Sieh´, es ist alles neu geworden.Gekränktes Herz, wozu dein Härmen?Streif ab den fleckendunkeln Rost,Laß dich von diesen Lüften wärmenUnd schöpf´ aus dieser Landschaft Trost!Kein Leid, kein Groll darf allzeit dauern,Es kommt der Tag, da alles grünt,Da Kränkung, Schuld und herbes TrauernIn goldner Sonne Strahl sich sühnt,Auch im Gemüt, wie allerorten,Sieh´, es ist alles neu geworden.Und ruht im kühlen Schoß der ErdeVon allem Schmerz dein sterblich Teil,Getrost, getrost! ein kräftig „Werde!"Beruft dich einst zu bessrem Heil.Aus ird´schen Stoffs und Grams VerzehrungReist unsichtbar ein frischer Keim,Den eines andern Mal VerklärungZur Blüte bringt in anderm Heim.Dort rauscht´s in höheren Akkorden:Sieh´, es ist alles neu geworden.Am Rhein bei Dettenheim, den 1. Mai 1869
Laß die breitgetretnen Plätze, Steig nach unten, klimm nach oben; Reiche Nibelungen-Schätze Liegen rings noch ungehoben. Und du schaust vom Grat der Berge Fernes Meer und Ufer dämmern, Hörst tief unten der Gezwerge Erzgewaltig dumpfes Hämmern.Mannagleich wird dich erquicken Süße, starke Geistesnahrung, Hell vor den gestählten Blicken Glänzt die alte Offenbarung:Wie der gröbste und der feinste Faden sich zu einem Netz schlingt, Wie durchs Größte und das Kleinste Stets das gleiche Weltgesetz dringt.Aber einmal, – schwer Geständnis, – Einmal mußt du doch dich beugen, Und am Ende der Erkenntnis Steht ein ahnungsvolles Schweigen.