Im Herz tobt altes Grollen, Der Sturm pfeift durch die Luft – »Du kommst mir eben rechte Des Weges, welscher Schuft! Dein Dolchstoß ist parieret, Nun, werter Freund, hab acht, Wie auf den welschen Schädel Die deutsche Klinge kracht!«– Die Sonn´ war untergegangen Fern, fern beim Vatikan; Sie schien des andern Morgens Auf einen toten Mann.
Willst die Welt du klar erschauen, Schaue erst, was vor dir liegt, Wie aus Stoffen und aus Kräften Sich ein Bau zusammenfügt. Laß die Starrheit des Gewordnen Künden, was belebend treibt; In dem Wechsel der Erscheinung Ahne das, was ewig bleibt.Aus dem Dünkel eignen Meinens Nie entkeimt die frische Saat, Im Nachdenken nur erschwingt sich Menschengeist zur Schöpfertat.
Schöner Monat Mai, wie gräßlich Sind dem Kater deine Stunden, Des Gesanges Höllenqualen Hab´ ich nie so tief empfunden. Aus den Zweigen, aus den Büschen Tönt der Vögel Tirilieren, Weit und breit hör´ ich die Menschheit Wie im Taglohn musizieren.In der Küche singt die Köchin, Ist auch sie von Lieb´ betöret? Und sie singet aus der Fistel, Daß die Seele sich empöret.Weiter aufwärts will ich flüchten, Auf zum luftigen Balkone, Wehe! – aus dem Garten schallt der Blonden Nachbarin Kanzone.Unterm Dache selber find´ ich Die gestörte Ruh´ nicht wieder, Nebenan wohnt ein Poet, er Trillert seine eignen Lieder.Und verzweifelt will ich jetzo In des Kellers Tiefen steigen, Ach! – da tanzt man in der Hausflur, Tanzt zu Dudelsack und Geigen.Harmlos Volk! In Selbstbetäubung Werdet ihr noch lyrisch tollen, Wenn vernichtend schon des Ostens Tragisch dumpfe Donner rollen!
Maimorgengang, o still Entzücken:Der Äther strahlt im reinsten Blau,Und bräutlich will der Wald sich schmückenMit zartem Grün und Silbertau.Mit weichem, träumerischem SchläfernStrömt rings ein lauer Frühlingsduft,Und mit den Faltern und den KäfernDurchfliegt ein Blütenschnee die Luft;Die Halden blühn, die jüngst noch dorrten:Sieh´, es ist alles neu geworden.Erneut im Licht! so will´s des LebensGesetz, das allen Stoff durchkreist,Ahrimans Winter drohn vergebens,Der Sieg verbleibt dem guten Geist.Sein weltverjüngend MaienwunderWeckt Saft und Farbe, Ton und Klang,Drum schallt von allen Wipfeln munterDer Nachtigallen Lobgesang.Sie jubeln seiner denn in Worten:Sieh´, es ist alles neu geworden.Im Kies verstrüppter UferdämmeSchleicht heut mein Pfad feldaus, waldein,Da spiegeln wilde BirnbaumstämmeMit Ulm´ und Esche sich im Rhein.Auch ihn erfreun des Maien Wonnen,Sein Schuppenvolk taucht wohlig vor,Der Aal kommt schlängelnd sich zu sonnen,Laut plätschernd schnalzt der Hecht empor,Und murmelnd trägt´s die Flut gen Norden:Sieh´, es ist alles neu geworden.Gekränktes Herz, wozu dein Härmen?Streif ab den fleckendunkeln Rost,Laß dich von diesen Lüften wärmenUnd schöpf´ aus dieser Landschaft Trost!Kein Leid, kein Groll darf allzeit dauern,Es kommt der Tag, da alles grünt,Da Kränkung, Schuld und herbes TrauernIn goldner Sonne Strahl sich sühnt,Auch im Gemüt, wie allerorten,Sieh´, es ist alles neu geworden.Und ruht im kühlen Schoß der ErdeVon allem Schmerz dein sterblich Teil,Getrost, getrost! ein kräftig „Werde!"Beruft dich einst zu bessrem Heil.Aus ird´schen Stoffs und Grams VerzehrungReist unsichtbar ein frischer Keim,Den eines andern Mal VerklärungZur Blüte bringt in anderm Heim.Dort rauscht´s in höheren Akkorden:Sieh´, es ist alles neu geworden.Am Rhein bei Dettenheim, den 1. Mai 1869
Wenn im Tal und auf den Bergen Mitternächtig heult der Sturm, Klettert über First und Schornstein Hiddigeigei auf zum Turm. Einem Geist gleich steht er oben, Schöner, als er jemals war. Feuer sprühen seine Augen, Feuer sein gesträubtes Haar.Und er singt in wilden Weisen, Singt ein altes Katerschlachtlied, Das wie fern Gewitterrollen Durch die sturmdurchbrauste Nacht zieht.Nimmer hören ihn die Menschen, Jeder schläft in seinem Haus, Aber tief im Kellerloche Hört erblassend ihn die Maus.Und sie kennt des Alten Stimme, Und sie zittert, und sie weiß: Fürchterlich in seinem Grimme Ist der Katerheldengreis.
Bürschlein, Bürschlein, laß die Liebe! Liebe ist ein schlimmes Feuer, Frißt den, so es angeblasen, Und du bist kein Kohlenbrenner! Komm nach Haus zum grünen Neckar, Komm zu mir zum großen Fasse, ´s birgt noch Stoffs genug, du magst drin Löschen deiner Liebe Glut!
Das ist im Leben häßlich eingerichtet, Daß bei den Rosen gleich die Dornen stehn, Und was das arme Herz auch sehnt und dichtet, Zum Schlusse kommt das Voneinandergehn. In deinen Augen hab´ ich einst gelesen, Es blitzte drin von Lieb´ und Glück ein Schein: Behüt´ dich Gott! es wär´ zu schön gewesen, Behüt´ dich Gott, es hat nicht sollen sein! – Leid, Neid und Haß, auch ich hab´ sie empfunden, Ein sturmgeprüfter müder Wandersmann. Ich träumt´ von Frieden dann und stillen Stunden, Da führte mich der Weg zu dir hinan. In deinen Armen wollt´ ich ganz genesen, Zum Danke dir mein junges Leben weihn: Behüt´ dich Gott! es wär´ zu schön gewesen, Behüt´ dich Gott, es hat nicht sollen sein! –Die Wolken fliehn, der Wind saust durch die Blätter, Ein Regenschauer zieht durch Wald und Feld, Zum Abschiednehmen just das rechte Wetter, Grau wie der Himmel steht vor mir die Welt. Doch wend´ es sich zum Guten oder Bösen, Du schlanke Maid, in Treuen denk´ ich dein! Behüt´ dich Gott! es wär´ zu schön gewesen, Behüt´ dich Gott, es hat nicht sollen sein! –
Blasse Menschen seh´ ich wandeln, Und die Klag´ tönt allerorten: »Schal ist unser Tun und Handeln, Siech und alt sind wir geworden.« Wollt´ euch nie bei euerm Forschen Die uralte Mär erklingen Von dem Brunn, darin die morschen Knochen wundersam sich jüngen?Und der Brunn ist keine Dichtung, Fließt so nah vor euren Toren, Euch nur mangelt Weg und Richtung, Ihr nur habt die Spur verloren.Drauß im Wald, im grünen, heitern, Wo die Menschenstimmen schweigen, Wo auf duft´gen Farrenkräutern Nächtlich schwebt der Elfenreigen:Dort, versteckt von Stein und Moose, Rauschet frisch und hell die Welle, Dort entströmt der Erde Schoße Ewig jung die Wunderquelle.Dort, umrauscht von Waldesfrieden, Mag der kranke Sinn gesunden, Und des Lenzes junge Blüten Sprossen über alten Wunden.