Sinnend geh ich durch den Garten,still gedeiht er hinterm Haus;Suppenkräuter, hundert Arten,Bauernblumen, bunter Strauß.Petersilie und Tomaten,eine Bohnengalerie,ganz besonders ist geratender beliebte Sellerie.Ja, und hier – ? Ein kleines Wieschen?Da wächst in der Erde leisdas bescheidene Radieschen:außen, rot und innen weiß.Sinnend geh ich durch den Gartenunsrer deutschen Politik;Suppenkohl in allen Artenim Kompost der Republik.Bonzen, Brillen, Gehberockte,Parlamentsroutinendreh …Ja, und hier – ? Die ganz verbockteliebe gute SPD.Hermann Müller, Hilferlieschenblühn so harmlos, doof und leiswie bescheidene Radieschen:außen rot und innen weiß.
Ihr sollt die verfluchten Tarife abbauen.Ihr sollt auf euern Direktor vertrauen. Ihr sollt die Schlichtungsausschüsse verlassen. Ihr sollt alles Weitere dem Chef überlassen. Kein Betriebsrat quatsche uns mehr herein, wir wollen freie Wirtschaftler sein! Fort, die Gruppen - sei unser Panier! Na, ihr nicht. Aber wir. Ihr braucht keine Heime für eure Lungen, keine Renten und keine Versicherungen, Ihr solltet euch allesamt was schämen, von dem armen Staat noch Geld zu nehmen! Ihr sollt nicht mehr zusammenstehn - wollt ihr wohl auseinandergehn! Keine Kartelle in unserm Revier! Ihr nicht. Aber wir. Wir bilden bis in die weiteste Ferne Trusts, Kartelle, Verbände, Konzerne. Wir stehen neben den Hochofenflammen in Interessengemeinschaften fest zusammen. Wir diktieren die Preise und die Verträge - kein Schutzgesetz sei uns im Wege. Gut organisiert sitzen wir hier... Ihr nicht. Aber wir.
Einmal müssen zwei auseinandergehn;einmal will einer den andern nicht mehr verstehn –einmal gabelt sich jeder Weg - und jeder geht allein –wer ist daran schuld?Es gibt keine Schuld. Es gibt nur den Ablauf der Zeit.Solche Straßen schneiden sich in der Unendlichkeit.Jedes trägt den andern mit sich herum –etwas bleibt immer zurück.Einmal hat es euch zusammengespült,ihr habt euch erhitzt, seid zusammengeschmolzen,und dann erkühlt –Ihr wart euer Kind. Jede Hälfte sinkt nun herab –:ein neuer Mensch.Jeder geht seinem kleinen Schicksal zu.Leben ist Wandlung. Jedes Ich sucht ein Du.Jeder sucht seine Zukunft. Und geht nun mit stockendem Fuß,vorwärtsgerissen vom Willen, ohne Erklärung und ohne Grußin ein fernes Land.
Er ging durch alte Winkelgäßchen,im schlappen Hut, in faltigem Rock.Ein kleines Bäuchlein wie ein Fäßchen... nicht jung mehr ... graues Stirngelock ...Vergaß er auch sein Regendach,man raunte: »Der versteht sein Fach!«Ein stilles, manchmal tiefes Gewässer:der alte Professor.Und heut? Im lauten Weltgebrausebewegt sich der Privatdozent.Er redet in und außerm Hausevon Politik mit viel Talent.Beziehungen zur Industriesind sehr beliebt, drum hat man sie.Wild fuchtelnd fordert den Krieg bis aufs Messerder neue Professor.Man sagt, weltfremd sei er gewesen.Wie sind sie heute so gewandt!Man sagt: er konnte nichts als lesen.Wie wäscht sich heute Hand und Hand!Der lehrt nicht mehr. Der propagiert.Und wer erzieht den, der studiert?Ich kann mir nicht helfen, er war doch viel besser:der alte, deutsche, zerstreute Professor.
Was sie nur wollen –!Da schimpfen sie auf die Ollen,und die sind stickeund überlassen die ganze Musikeden Jungen,Und die machen ein Geschrei!Und es sind alle dabei.Da sieht man ältere Knaben,die schon ihre fünfzig auf dem Buckel haben,in kurzen Hosen umeinanderlaufen;wenn sie schnell gehen, kriegen sie das Schnaufen –aber bloß nicht hinten bleiben!Modern! modern müssen sie schreiben!Nur nicht sein Leben zu Ende leben –jung! jung mußt du dich geben!Bei uns haben sie sonen Bart, der von alleine steht –oder sie kommen gar nicht aus der Pubertät.Was sie nur haben –!Hindert denn einer die jungen Knaben?Hört doch bloß mal: Die junge Generation!Na, da macht doch schon!Es hält euch ja keiner. Als ob uns das nicht frommt,wenn ein neues Talent geloffen kommt.Neunzehn Jahre! Was ist dann das schon?Das ist keine Qualifikation.Ludendorff war auch mal neunzehn Jahr.Jung sein ist gar nichts. Es fragt sich, wers war.Es gibt alte Esel und junge Talente –Geburtsscheine sind keine Argumente.Und wenns nicht klappt: es liegt nicht am Paß.Dann liegts an euch. Könnt ihr was –?Noch nie hat man sich so um Jugend gerissen.Direktoren, Verleger warten servil . . .jeder lauert auf einen fetten Bissen –Speelt man god. Und schreit nicht so viel.Wer was kann, der sei willkommen.Der Rest hat die Jugend zum Vorwand genommen;das sind – wir wollen uns da nicht streiten –verhinderte Talentlosigkeiten.
Über den Dächern schwebt Rauchund ein sanftes Gebimmelklingt von den Türmen der Stadt.Meine Sehnsucht fliegt in den Himmel.Wie es durch das Fenster zieht ...!Wozu arbeiten?Wozu tätig sein?Wozu in Versammlungen gehn?Ich habe nur meine beiden Hände.Was steht am Ende –?Das habe ich an Vater gesehen.Wie es durch das Fenster zieht ...!Diese Dachkammer hat der alte Mann.Dafür fünfundfünfzig JahreArbeit, keinen Tag Urlaub,Sorgen und graue Haare.Meine Gedanken hängen am Horizont –Wo ist unser Glück ...?Und da kommen plötzlich alle meine Gedanken zurück.Gleich springe ich auf die Beineund werfe die Arme um den Leib,weil mich friert ...Ich bin nicht mehr allein.Wir sind stark, wenn wir zusammenhalten:die Starken und Schwachen, die Jungen und Alten.Wenn nur der Wille fest bleibt und unsere Partei.Da bin ich dabei.Noch einmal sehe ich über die Stadtund die Dächer ...Schon mancher hat mit trocken Brot und armseligem Essenin so einer zugigen Dachkammer gesessen.Mancher, der nachher ein Reich erobert hat.
Du lebst noch nicht. Ich seh dich so lebendig: ein kleiner gelber Schopf, die Augen blau; ich seh dich an und such beständig die Züge einer lieben Frau.Du kreischst und jauchzt schon laut in deinen Kissen; du bist so frisch und klar und erdenhaft. Du brauchst es nicht wie ich zu wissen, was Zwiespalt ist, der Leiden schafft.Der ist dahin. Schrei du aus voller Lunge und schüttle deine runde, kleine Faust! Sei froh! Sieh auf die Mutter, Junge – sie ist so hell, auch wenn ein Sturmwind braust.Hör ihre Stimme nur: gleich wehts gelinder. Setz du sie fort. Was bin denn ich allein? Wir Menschen sind doch stets die alten Kinder: ich war es nicht – mein Sohn, der soll es sein.Du sollst es sein! Und kommst du einst zum Leben: Du sollst es sein! Ich hab es nicht gekonnt. Gib du, was deiner Mutter Arme geben: Leucht uns voran!Du bist so blond.
Er wohnt am Rand der reichen Leute,verkehrt mit Adel und heißt Schmidt.Den Schlips von morgen trägt er heuteund fährt in fremden Autos mit. Er lebt in einem ihm fremden Stile – Fauler Kopp! Fauler Snob! Aber davon gibts viele.Er selbst hat nur ein kleines Zimmer,als Untermieter bei Frau Schay.Doch geht er aus, dann tut er immer,als wär er aufgewachsen bei. Von der Socke bis zum gescheitelten Haar: es ist alles nicht wahr - es ist alles nicht wahr!Er ist so gerne eingeladen:er reckt an Kaufmann und Bankier.Er weiß, am Lido muß man baden,er grüßt im Ritz den Herrn Portier. Er nassauert elegant und beflissen vor fremden Kulissen.Was er auch hat, das hat er gratis.Er läuft mit der Society.Er kennt die feinsten Cocktail-Parties.Nur seine Lage kennt er nie. Bald kunstgewerblicher Friseur, bald Redakteur ... so sehn wir ihn gestern, morgen und heute: ein Affe. Ein Affe der reichen Leute.
Das tut sich wohl des öftern begeben:Mal beginnt jeder sein ganzes Lebenvon neuem. Wirft hin, was er nur kann,und fängt alles wieder von vorne an,mit gänzlich neuer Melodie ...Die Franzosen nennens ›refaire sa vie‹. Refaire sa vie ... das ist gar nicht einfach.Refaire sa vie ... ist leider mein Fach.Dazu sind wir zu gebrauchen ...Refaire sa vie ... ist wie Pfeifen anrauchen.Du glaubst erst gar nicht, daß es sich lohnt.Der Tabak schmeckt schwer und ungewohnt –es legt sich das Nikotin auf den Magen,du hast über Seelen- und Bauchweh zu klagen;das macht:das Ding ist nicht abgenutzt,und die Pfeife ist viel zu wenig verschmutzt.Aber so eine zwei, drei Jahr –da schmeckt die Pfeife wunderbar.Ihr Hals ist dir so vertraut gebogen,das Holz ist voller Tabak gesogenbis zur letzten Faser. Und du kratzt nichts ab.Diese Pfeife nimmst du ins Grab ...Bis zur nächsten. Bis zur nächsten Ecke.Da krauchst du hervor aus deinem Verstecke,der Boden bekommt eine neue Schichtung,das Leben nimmt eine neue Richtung –Und du bist ein Kerl und ganzer Mannund steckst eine neue Pfeife an.Wenn du einmal am Ende stehst,wenn du die letzte Wende gehst,wenn du dann klug bist, blickst zu zurück, auf das ganze geschlängelte Stück.So viel Pfeifen! Viel Änderungen!So oft hast du eine neue geschwungen!Und hast die Neue genützt?Seife.Es war immer dieselbe Pfeife.