Gedichte von Rudolf Presber

Rudolf Presber

Rudolf Presber

deutscher Journalist und Dichter, Dramatiker, Romancier, Erzähler
* 4.7. 1868 - Frankfurt/Main
1.10. 1935 - Potsdam

Elise, sprach zur Freundin die Mathilde,
Das sogenannte Glück ist meistens schal.
Wenn ich vom Leben mir ´ne Meinung bilde,
Find´ ich die Ehe mehr als trivial.

Die Liebe – gut. Ich laß die Liebe gelten.
Man sucht sich Emotionen fürs Gemüt.
Man schätzt sich gegenseitig, weil man selten,
Höchst selten sich und unter andern sieht.

Man schwärmt für Nietzsche, Dehmel, Mai und Rosen,
Auch macht ein Ausflug [so nach Treptow] Spaß,
Man unterhält sich von der namenlosen
Geheimen Sehnsucht – unbestimmt nach was.

Man hat frisiert und aufgeputzt sein Wesen
Und legt ein ew´ges Rätsel ins Gesicht;
Man hat vorher in Büchern nachgelesen,
Was man mit dem geliebten Jüngling spricht.

Er konversiert vom Leben nach dem Tode,
Von Maeterlink und dem »Familientag«,
Und seine Weste zeigt die letzte Mode,
Und hinter ihr ahnt man des Herzens Schlag.

Und denk´ ich mir die Hochzeit und so weiter,
So Tag und Nacht und alles so im Haus,
Dann zieht die Seele ihre Sonntagskleider
Und auch der Leib zieht manches Schmuckstück aus.

Denn die Alltäglichkeit ist voller Roheit
Und die Enttäuschung bleibt der Träume Schluß;
Ein Weib verliert den Reiz, ein Mann die Hoheit,
Wenn er die Hühneraugen schneiden muß.

Mit dem, was Schwärmerherzen sich erharren,
Hält auch die Wirklichkeit nur selten Schritt;
Ich hatt´ ´nen Onkel, der an Darmkatarrhen
In Capri auf der Hochzeitsreise litt.

Mein Artur – Gott, was soll ich weiter sagen,
Gleicht er nicht Wedekinds Marquis von Keith?
Sein grüner Schlips, sein hoher Doppelkragen
Scheint mir ein Teil von der Persönlichkeit.

Wenn ich im Traum sein männlich Bild mir knipse,
Als Amateurin – ob du Worte hast!
Ich seh´ ihn stets mit diesem grünen Schlipse,
der wundervoll zu seinen Augen paßt.

Doch denk´ ich weiter – nach dem Hochzeitsfeste –
Am Abend – spät – nach Reden, Sekt und Schmaus
Zieht er die wundervoll karierte Weste
Und zieht [auch seelisch] sonst noch manches aus.

Je mehr ich in den Anblick mich versenke,
Durchzittert meine Seele Furcht und Hohn –
Wenn ich mir Artur ohne Kragen denke,
Zerfließt sofort die ganze Illusion.

Ich saß in des Boudoirs Heiligtum
Im Kreis von jungen Müttern
Und ließ mit ihrer Kinder Ruhm
In höflicher Neugier mich füttern.

"Ich hab´ einen Jungen, zwar rot von Haar",
Sprach ernsthaft Frau Adele,
"Probleme wälzt schon, ganz wunderbar,
Das Kind in junger Seele.

Es ist, als könnte der kleine Wicht
Uns tief in die Herzen gucken.
Wie schade, das blasse Kindergesicht
Leidet am Nervenzucken."

"Sechs Jahre ist unsere Kleine alt,"
So rühmte die blonde Mathilde,
"Die Händchen sind ihr immer kalt,
Die Augen voll träumender Milde.

Sie sitzt so still oft, daß mir´s graust,
Lesend bei mir in der Wohnung,
Die beiden Monologe des Faust
Rezitiert sie mit guter Betonung."

"Mein Hugo ist in den Gliedern nicht stark,"
Seufzt Klara, "das gibt sich am Ende,
Ich war mit ihm in Dänemark,
Und entdeckte dort seine Talente.

Er lernte Dänisch von Kellner und Magd,
Das ist doch gewiß höchst erfreulich,
Und hat mir im Urtext aufgesagt
Gedichte von Ibsen neulich."

"Und meine Ida, die kleine Maus,"
Frau Hilde rühmt es mit Rührung,
"Spielt Symphonien von Richard Strauss
Mit richtiger Fingerführung.

Nur körperlich ist sie nicht recht gediehn,
Das Wachstum will nicht glücken,
Trotz Lebertran, Tropon und Pepsin;
Und hat einen hohen Rücken."

Frau Eva saß eine Weile still –
Ich sah die Zweifel sie quälen.
"Sie müssen nicht denken, Herr Doktor, ich will
Nicht von meinen Jungen erzählen.

Was aber könnt´ ich Euch anvertraun?
Sie haben rotglühende Wangen,
Zerrißne Hosen von Hecken und Zaun
Und sind ein paar wilde Rangen.

Ihre Muskeln sind gut, und ihr Herz ist nicht bös,
Doch lesen sie Ibsen nicht dänisch;
Sie spielen Klavier nicht und sind nicht nervös
Und gar nicht neurasthenisch.

Sie wählen zum Lesen nicht Goethe aus;
Grimms Märchen – hei, wie sie drauf brennen!
Und werden – ich schäm´ mich´s zu sagen – den Strauß
Nur vom Zoologischen kennen.

Sie schwimmen wie Fische und klettern flott
Und schenken mit kindlicher Güte
Und beten des Abends zum lieben Gott,
Dass er ihre Mutter behüte."

Ich sah ihr in das erglühte Gesicht –
Durchs Herz klangen alte Weisen –
Und hieß sie bis heute ›Frau Eva‹ nicht,
Sie müßte Frau Eva heißen!

Auf ihre Hände, kußbereit,
Beugt tief sich der alte Sünder:
"Sie haben in wunderreicher Zeit
Die wahren Wunderkinder!"

Gedichte von Rudolf Presber (Seite 2)
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