Alte, neue Poesie, – Was ist d´rüber nicht zu lesen! G´rade so, als wären sie Eines nicht im tiefsten Wesen! G´rade so, als wenn der Strahl, Den Horaz einst liebvoll hegte, Heute nicht wie dazumal In des Dichters Brust sich regte! Laßt ihr Guten! immerhin Eure Silbenstecherfehde. Alt und neu hat keinen Sinn, Wenn von Ewigem die Rede!
Wenn dich bittres Weh durchfuhr,Trachte dann, eh´ dich´s bezwungen,Zu verfolgen seine SpurBis zum Quell, dem es entsprungen.Findest du dann, daß der Gram,Störend deiner Nächte Schlummer,Von dem Schicksal zu Dir kam,So bezwinge deinen Kummer.Denkend, daß des Schicksals WitzNeu will sein an jedem MorgenUnd daß drum ein gleicher BlitzKünftig nicht mehr zu besorgen.Wohl verschieden ist der Fall,Doch nicht größer sei die Beugniß,Nennt dich Ursach Deiner QualDeines Geist´s wahrhaft´ges Zeugnis.Suche dann ohn´ Ruh und RastDeinen Fehler zu entdecken;Wenn du ihn gefunden hast,Wirf hinaus den dunklen Flecken!Kämpfe, bis, was dich bethört,Du besiegt und überwunden.Ist sein böser Keim zerstört,Ist das Unglück bald verschwunden.So kannst du in jeder Art,Hoffend glauben, daß das Leiden,Trübend deine Gegenwart,Deine Zukunft werde meiden.
Mit jenen nicht, die mich umgeben, Verbring´ ich diesen Rest von Leben, Nein! mit der Heimgegang´nen Schaar. Mit ihnen, die in fernen Tagen Mich sah´n in meiner Blüte ragen, Und deren Zeit die meine war! Beim Fest, im dicht gedrängten Saale, Im stillen Wald beim Mondesstrahle Verfolg´ ich träumend ihre Spur; Und hier wie dort, auf allen Wegen Tritt mir vertraut ihr Bild entgegen, Nur reiner und verklärter nur! Und aus dem Mund der teuren Schemen Mein´ ich die Frage zu vernehmen, Die mir im eig´nen Herzen brennt: »Allein, allein auf dieser Erde, Was hoffst du wohl, daß dir noch werde? Was hält dich noch von uns getrennt?«
Und Heil euch, die ihr in dem Glanz und StolzDer Jugend niedersteiget zu den Toten,Eh´ euch noch an des Lebens MarterholzDer Essigschwamm des Zweifels ward geboten,Eh´ euch der Tage Last, der Erde Wust,Die schweren Bürden, Geist und Arm gelähmet,Eh´ jene Weisheit, die den Gott vervehmet,Mit ihrem Frost durchkältet eure Brust.
Das dir zumeist am Herzen nagt?O prüfe dich! du wirst gestehen,Das Leid nicht ist´s, das dir geschehen,Und nicht die Sorge, die dich plagt.Du könntest sie zur Noth vergessen,Doch nimmermehr das Traumbild dessenWas dein Geschick dir streng versagt.Nur dieses, und nur dieß allein,Steht immerdar vor deinen Augen,Es darf dir Kraft und Muth entsaugen,Zerrütten dir dein innerst Sein;O Thorheit! Thorheit, unermessen!Für Güter, die du nie besessen,Erträgst du des Verlustes Pein!
So lang uns noch die Jugend blüht,Ergreift oft, ehe wir´s gedacht,Grundlose Trauer das Gemüt,Und unsre Thränen fließen sacht.Doch wem des Alters EulenflugDie Stirne streifte kalt und schwer,Zur Trauer hätt´ er Grund genug,Nur hat er keine Thränen mehr.
»Was du von dieses Berges ZinnenErschaust im weitgedehnten Kreis,Durch meine Gunst kannst du´s erringen,Und, wahrlich, um geringen Preis.Ich trage dich zu Ruhm und EhreEmpor mit meines Fittichs Schwung!Du fragst, was ich dafür begehre?Nichts als nur deine Huldigung.Jedwedes Ziel magst du erstreben,Wenn du vor mir die Kniee beugst,Und mit der Ehrfurcht scheuem BebenFür meine Oberhoheit zeugst.Dein sei das Maß der Herrlichkeiten,So lang du mir zu Willen bist!«Der Satan sprach´s in alten Zeiten,Und heute sagt´s der Journalist.
Es hat der bangen, schreckerfüllten WeltDie Kirche einst den Lehrsatz aufgestellt,Daß zu der Pein der ew´gen HöllenflammeDer Irrthum schon, nicht bloß die Schuld verdamme.Doch eine lich´tre, bess´re Zeit begann,Des alten Molochglaubens Spuk zerrann;Die Kirche selber mußte anerkennen,Daß Irrthum von der Sünde wohl zu trennen.Das Schicksal nur, das Thränen mir erpreßt,hält noch an jenem grausen Dogma fest,Und straft mich für den Wahn, der mich befangen,Als hätt´ ich Frevel sonder Zahl begangen.Wenn, daß ich schmerzlich mich in Dir geirrt,Mir nicht als Sünde angerechnet wirdDann, wahrlich! habe ich sie nicht verschuldetDie bitt´re Qual, die jetzt mein Herz erduldet!
Daß ich dich liebe tief und heiß,Das hab ich oft empfunden,Wenn deiner Nähe ZauberkreisGlückatmend mich umwunden;Wenn mich dein Arm so fest umschlang,Dein Wort in seiner SüßeZu meinem tiefsten Herzen drang,Wie tausend Jenseitsgrüße.Doch daß du selbst mein innerst SeinUnd Herz von meinem Herzen,Daß du nur in der Seele meinWach rufest Lust und Schmerzen,Daß du ein heil’ger Engel bist,Für mich als Mensch geboren,Das weiß ich erst seit kurzer Frist:Erst seit ich dich verloren.
Im tiefsten InnernEin süß ErinnernUnd einen GrußZum Tagesschluß.Daß Gottes GüteMein Glück behüte,Daß seine Treu Stets mit dir sei;Daß deine SeeleSich mir vermähleAuf ewiglich:Das bete ich.Auf ihn nur zähl´ ich,Uns beid´ empfehl´ ichFromm seiner Macht –Nun, gute Nacht!