Hart gegen sichUnd hart gegen andre. –Geh hin und wandreUnd mildre dich!Weich gegen sichUnd weich gegen andre. –Geh hin und wandreUnd stähle dich!Weich gegen sichUnd hart gegen andre. –Pfui! weit fort wandreUnd bessre dich!Hart gegen sichUnd weich gegen andre. –Schon gut; doch wandre,Sieh scharf um dich!
Nunc pluat!(Nach einer alten Devise)Ein Adler flog emporHoch, höher, bis hinan, wo fürchterlichAus ew´gem SchneeDie letzten, wildgezackten Alpenhörner ragen.Da sah er hangen über sichEin zweites, schrecklicher gethürmtesGebirg von Wetterwolken,Schwarz, dicht und breit und schwer, zum Bersten satt.Es drohet Stürme, Güsse, Ströme, StürzeVon Regen, Hagelkieseln, die das Haupt,Die breiten Schwingen ihm zerschmettern,An die Felsennadeln ihn spießen, oder halbzerfetztZu Thal ihn schleudern werden.Er sieht´s und schießt hindurch,Steil, kerzengrad, dem Pfeile gleich,Von straffer Sehne stracks emporgeschnellt.Schon schwebt er über der schwarzen WandIm Blau, im strahlenden Äthermeer,Er schaut der Sonn´ ins blitzende Flammenauge,Er schaut hinab und spricht:Nun mag es regnen!
»Den Kuß und dann die Kralle,So sind sie alle.Die Kralle, dann den Kuß,Macht ihnen nicht Verdruß.« – »Nimm´s nicht so schwer! Laß ruhn!Sie wissen nicht, was sie tun.Oder geh fort! Geh, wandere!´s gibt andere,Nicht alle sind KatzenUnd kratzen,Bist eben zu lang geblieben;Man muß mit gepacktem Koffer lieben.Was ist der Koffer? Es ist dein Geist,Der dich immer gefaßt sein heißt.In die Liebe zumeist darf nur sich wagen,Wer auch enden kann und entsagen.« – »Dank für den Rat, den mir die Weisheit spricht;Er lautet: liebe, aber lieb´ auch nicht.«
Wie man das Alter auch mag verklagen,Wie viel Übles auch von ihm sagen,Die Ehre muß man ihm dennoch geben,Daß es uns gönnt, noch das zu erleben,Wie es tut, sich fühlt und schmeckt,Wenn sie, die uns so toll geschreckt,Verbellt, gejagt, durch die Wälder gehetzt,Wenn sie nun endlich zuguterletzt,Abläßt von ihrer keuchenden Beute,Die Jägerin mit der grimmigen Meute,Die wilde Jägerin Leidenschaft.Es schmeckt wie ein kühlender Labesaft,Es schmeckt wie ein Schläfchen nach Tische gutWo man so sanft einnicken tut.Also, ihr Leidenschaften, ade!Euer Abschied tut mir nicht weh!Doch eine will ich behalten, eine:Den Zorn auf das Schlechte, das Gemeine.
Am Himmel ist gar dunkle Nacht;Die müden Augen zugemachtHat längst ein jedes Menschenkind;Es wacht nur noch der rauhe Wind. Der jaget sonder Rast und RuhDie Fensterläden auf und zu,Die Wetterfahne hin und her,Daß sie muß ächzen und stöhnen schwer.Doch sieh! aus jenem Fenster brichtIn´s Dunkel noch ein mattes Licht.Wer ist´s wohl, der in tiefer NachtBei seiner Lampe einsam wacht? Ich schleiche dicht an´s Fensterlein,Schau´ durch die runde Scheib´ hinein,Und einen Jüngling zart und schönSeh´ ich an einem Bette stehn. Und wie ich nach dem Bette schau´,Da schlummert eine kranke Frau.Er bückt sich über´s Bett hinein,Es muß des Knaben Mutter sein. Vom Bette läßt er nicht den Blick,Er streicht das braune Haar zurück,Sacht´ hält er ihr das Ohr zum Mund,Ob sie noch athme zu dieser Stund.
Wär´ einer droben in Wolkenhöh´nUnd würde das Schauspiel mit anseh´n.Wie mitleidlos, wie teuflisch wildTier gegen Tier und Menschenbild,Mensch gegen Tier und MenschenbildWütet mit Zahn, mit Gift und Stahl,Mit ausgesonnener Folterqual,Sein Vaterherz würd´ es nicht ertragen;Mit Donnerkeilen würd´ er drein schlagen;Mit tausend heiligen DonnerwetternWürd´ er die Henkersknechtezerschmettern.
"Man muß nicht müssen", sagt ein deutscher Dichter,Ein andrer, und der größte unter allen:"Der Mensch ist nicht geboren, frei zu sein."Hat einer unrecht und der andre recht?Und wer von beiden, dieses oder jenes?O schwierig! Aber halt, da fällt mir ein:Am Ende haben recht und unrecht beide.Der Mensch ist frei, doch er bedarf ein Muß.Nun gut, so schaffe selbst dir einen Zwang,Ein Muß der Pflicht: dann dienst du, aber frei.
O sprich, warum denn soll ich leben,Was soll der Finger, der mir droht?Nichts ist mein Denken, Wollen, Streben,Und was ich bin, ist eitel Tod. Die Wonne beut mir ihre SchalenUnd keine Freude spürt mein Herz;Ich lieg´ in tausend heißen QualenUnd fleh´ um einen Tropfen Schmerz. Ein neues Schwert ist jede Stunde,Das mich im tiefsten Busen trifft,Es wird an dem verfluchten MundeDer Liebe Becher selbst zu Gift. Nichts ruhet aus. In tollem SchwankenWahnsinnig dreht die Welt um mich.Kein Ende haben die Gedanken,Und das, und das ist fürchterlich.
Gestern, ah! das war ein Schweben,Als zum Tanz die Hand sie gab!Über Stock und Steine strebenMuß ich heut am Wanderstab. Gestern glänzten weiße Brüste,Die ein tiefes Athmen hob,Heute starren in der WüsteFelsenblöcke rauh und grob. Gestern noch mit heißen KüssenDeckte mich ihr weicher Mund,Heut von scharfer Dorne RissenTrag´ ich Hand und Wange wund. Gestern löste mir die GliederSüßer Liebe Feuertrank,Heute lieg´ ich frierend niederAuf des Erdgrunds harte Bank. Auf! Frischauf und nicht gezaget!Weiter in die Welt hinein!Immer zu und frisch gewaget,Heute darf nicht gestern sein!
Weichheit ist gut an ihrem Ort,Aber sie ist kein Losungswort.Kein Schild, keine Klinge und kein Griff,Kein Panzer, kein Steuer für dein Schiff.Du ruderst mit ihr vergebens.Kraft ist die Parole des Lebens!Kraft im Zuge des Strebens,Kraft im Wagen,Kraft im Schlagen,Kraft im Behagen,Kraft im Entsagen,Kraft bei des Bruders Not und LeidIm stillen Werk der Menschlichkeit.