In hoher Luft die Möwe ziehtAuf einsam stolzen Wegen,Sie wirft mit todesmuth’ger BrustDem Sturme sich entgegen.Er rüttelt sie, er zerrt an ihrIn grausam wildem Spiele –Sie weicht ihm nicht, sie ringt sich durch,Gradaus, gradaus zum Ziele.O laß mich wie die Möwe sein,Wie auch der Sturm mich quäle,Nach hohem Ziel, durch Kampf und Not:Gradaus, gradaus, o Seele!
Über den Feldern ein warmer Hauch,Schwellende Knospen am DornenstrauchUngeduldige Wölkchen schwebenÜber mir hin, und fern im Land,Wo die Berge ihr Haupt erheben,Aus dem feinen, bläulichen RauchWinkt eine Hand:»Wartest du auch?Wartest du auch auf das blühende Leben...?«
Es huscht die Nacht vorbei auf leisen Sohlen,Schwül weht ihr Athemzug zu ihm herauf,Im Garten schließt der zitternden ViolenLichtscheue Schaar die blassen Kelche auf.Und in die Winde, die sein Haupt umkosenWie eine linde, weiche Frauenhand,Mischt sich ein Duft von Heliotrop und Rosen,Der süße Duft, den er so wohl gekannt.Sie trug ihn einst, die er im Arm gehalten,Die hingeschmiegt an seiner Brust geruht,Er stieg empor aus des Gewandes Falten,Aus ihres Hauptes gold´ner Lockenfluth.Er war ihr eigen, wie der Nacht die Träume,Und als sie längst sich seinem Arm entwand,Zog noch der schwere Duft durch seine RäumeEin Frühlingsgruß, da lang der Frühling schwand.So lang ist´s her! Die Jahre sind entschwundenEr ward ein müder, freudeloser Mann,Dem Keiner mehr den Rausch verblühter StundenVon der durchfurchten Stirne lesen kann.Doch wenn die schwülen Sommerwinde wehen,In´s Fenster zieht des Heliotrops Duft,Dann will ihr Bildniß ihm wie einst erstehen,Dann steigt die Jugend aus der stillen Gruft.
So oft ich der alten NachbarinIn ihrem Shawltuch begegnet bin,Wenn die Sonne grade recht hell gestrahlt,Als bekäm sie´s heute extra bezahlt –Dann zeigte die alte NachbarinMit der welken Hand nach dem Himmel hinUnd kniff den Mund so besonders ein,Als biß sie in etwas Saures hinein,Und meinte: "Wenn´s nur so bleibt!"So ist´s mir im Leben mit Vielen ergangen,Die wußten mit Freude nichts anzufangenUnd riefen in jeden SonnenscheinIhr krächzendes "Wenn´s nur so bleibt" hinein!Sie hätten am liebsten der ganzen WeltDas arme bißchen Lachen vergälltUnd trauen noch in der GrabesruhDem Herrgott den ewigen Frieden nicht zuUnd meinen: "Wenn´s nur so bleibt!"
Ein Brünnlein im Felde, sechs Linden im Kreis,Und die Wälder so still, und die Sonne so heiß,Und wir beide am BrunnensteinSo mutterseelenallein.Du botest mir lächelnd den Zauberkelch,Und ich trank ihn leer bis zur Neige,Meine Augen sagten dir: "Schweige!Es ist ein liebliches Wunder in mir,Wenn die Stunde kommt, verrath´ ich es dir."Da rauschte es leis durch die Zweige:"Schweige."
Die du lächelnd mir entschwindestUnd mit neidisch dichtem FlorDeine weiße Stirn umwindest –That sich dir das graue ThorDer Vergangenheit schon auf?Darfst du nimmer dich mir neigen,Nimmer mir die leichte Hand,Die mein Sorgen hold gebannt,In geheimnisvollem SegenAuf die heißen Augen legen,Süße Freude?O welch grauenhaftes Schweigen –Keine Antwort tönt hernieder!Sorgen, wohl – so nehmt mich wiederUnd zermartert Geist und GliederEurer Beute!
Im Walde, da flüsternDie Bäume so bang,Und der Wind streicht so scheuAn den Hängen entlang,Und die Sonne am Himmel,Die leuchtet so roth –O weh meiner Seele,Mein Liebster ist todt.
O Sehnsucht, wilder Falke mein,Willst du auch müde werden?Dess´ Heimat hoch im Blauen war,Behagt´s dir nun auf Erden?Wie oft hast du den jungen SinnAus diesen grauen TagenHoch über Sorge, Not und LeidGetragen.Bis mir das dunkle Tal entschwandIm märchenweiter FerneUnd um mein glühend Haupt sich bogDas Diadem der Sterne.Nun beugst auch du die stolze StirnUnd läßt die Flügel hängen,Nun hat auch dich die SorgenfrauGefangen.Brich deine Fesseln, Wanderfalk,Und hebe dein Gefieder -Siehst du die Sterne droben glühn,Hörst du die süßen Lieder?Es ist die Heimat, die uns ruft,Sie lockt mit Lust und Wonne,Steig auf mit hellem JubelschreiZur Sonne!
Wie liegt die Welt so stille,Als hätt´ ein heil´ger WilleSie fest mit Schlaf umhegt;Die weißen Nebel steigen, Der Wind schläft in den Zweigen,Kein Blättchen sich mehr regt.Auf dunklen HimmelswogenKommt nun die Nacht gezogenIn ihrem goldnen Kahn,Ich steh´ in meinem Garten,Als sollt ich wen erwarten –Und geh´ doch Niemand an!