Aus dem gold´nen Morgen-QualmSich herniederschwingend,Hüpft die Meise auf den Halm,Aber noch nicht singend.Doch der Halm ist viel zu schwach,Um nicht bald zu knicken,Und nur, wenn sie flattert, magSie sich hier erquicken.Ihre Flügel braucht sie nunFlink und unverdrossen,Und indeß die Füßchen ruh´n,Wird ein Korn genossen.Einen kühlen Tropfen ThauSchlürft sie noch daneben,Um mit Jubel dann in´s Blau Wieder aufzuschweben.
Friedlich bekämpfenNacht sich und Tag:Wie das zu dämpfen,Wie das zu lösen vermag. Der mich bedrückte,Schläfst du schon, Schmerz?Was mich beglückteSage, was war´s doch, mein Herz? Freude wie Kummer,Fühl ich, zerrann,Aber den SchlummerFührten sie leise heran. Und im Entschweben,Immer empor,Kommt mir das LebenGanz wie ein Schlummerlied vor.
Wenn ich abends einsam gehe Und die Blätter fallen sehe, Finsternisse niederwallen, Ferne, fromme Glocken hallen: Ach, wie viele sanfte Bilder, Immer inniger und milder, Schatten längst vergangner Zeiten, Seh ich dann vorübergleiten. Was ich in den fernsten Stunden, Oft nur halb bewußt, empfunden, Dämmert auf in Seel´ und Sinnen, Mich noch einmal zu umspinnen. Und im inneren Zerfließen Mein ich´s wieder zu genießen, Was mich vormals glücklich machte, Oder mir Vergessen brachte. Doch, dann frag ich mich mit Beben: Ist so ganz verarmt dein Leben? Was du jetzt ersehnst mit Schmerzen, Sprich, was war es einst dem Herzen? Völlig dunkel ist´s geworden, Schärfer bläst der Wind aus Norden, Und dies Blatt, dies kalt benetzte, Ist vielleicht vom Baum das letzte.
Wenn ich, o Kindlein, vor dir stehe,Wenn ich im Traum dich lächeln sehe,Wenn du erglühst so wunderbar,Da ahne ich mit süßem Grauen:Dürft´ ich in deine Träume schauen,So wär´ mir alles, alles klar.Dir ist die Erde noch verschlossen,Du hast noch keine Lust genossen,Noch ist kein Glück, was du empfindest.Wie könntest du so süß denn träumen,Wenn du nicht noch in jenen Räumen,Woher du kamest, dich ergingst ?Drum wenn, o Kind, ich vor dir stehe,Wenn ich im Traum dich lächeln sehe,Wenn du erglühst so wunderbar,Da ahne ich mit süßem Grauen:Dürft´ ich in deine Träume schauen,So wär´ mir alles, alles klar.
Grünen, Blühen, Duften, Glänzen,Reichstes Leben ohne Grenzen,Alles steigernd, nirgends stockend,Selbst die kühnsten Wünsche lockend;Ja, da kann ich wohl zerfließen,Aber nimmermehr genießen;Solche Flügel tragen weiter,Als zur nächsten Kirschbaumleiter.Doch, wenn rot die Blätter fallen,Kühl die Nebelhauche wallen,Leis durchschauernd, nicht erfrischend,In den warmen Wind sich mischend:Dann vom Endlos-UngeheurenFlücht´ ich gern zum Menschlich-Teuren,Und in einer ersten TraubeSieht die Frucht der Welt mein Glaube.
Jüngst traf ich einen alten Mann Und hub ihm vorzusingen an, Doch an den Mienen des Gesichts Bemerkt´ ich bald, er höre nichts. Da dachte ich: der Greis ist taub, Drum wird dein Lied des Windes Raub, So tu´ ihm denn, nicht durch den Mund, Durch Zeichen dies und jenes kund. Ich tat´s, doch ward mir leider klar, Daß er auch schon erblindet war, Denn, wie der Frosch aus seinem Sumpf, Hervorglotzt, sah er dumpf und stumpf, Und ungestört in seiner Ruh´, Der Sprache meiner Finger zu. Ich rief: mit dem steht´s schlimm genug, Doch mögt´ ich ihm den letzten Zug Noch gönnen aus dem Lebensquell! Da reicht´ ich ihm die Rose schnell, Die ich für meine Braut gepflückt, Allein auch das ist schlecht geglückt, Ihm schien der Duft nicht mehr zu sein, Wie einem Gartengott von Stein. Nunmehr verlor ich die Geduld, Ich dacht´ an meines Mädchens Huld, Die mir so schmählig jetzt entging, Da sie die Rose nicht empfing, Und jagte ihm im ersten Zorn In´s dicke Fell den scharfen Dorn; Doch bracht´ auch dies ihm wenig Not, Er zuckte nicht, er – war wohl tot!
Der Alte sieht die junge Maid,Und fällt, versucht vom alten Triebe,Mit höchster Alters-ZierlichkeitAufs Knie und stottert schamhaft: Liebe!Sie lacht ihm nicht ins Angesicht,Sie kniet nur hin, wo er gelegen,Drückt seine Hand aufs Haupt und spricht:"Mein Vater, gebt mir euren Segen!"
Laura schließt die holden Augenlider,Meine Himmelstüren tun sich zu;Komm, o lieber Traumgott, komm herniederUnd versüße ihre Ruh´!Zeige ihr der Schönheit höchste Blüte,Wie sie steht im himmlischen Gefild,Sanft verschmolzen mit der reinsten Güte –Zeige ihr dein schönstes Bild!Und der Gott erhörte meine Bitte,Und er schwebte nieder lind und mild,Nahte ihr mit zephirleichtem Schritte,Und sie sah – ihr eignes BIld.
Trinkt des Weines dunkle Kraft, Die euch durch die Seele fließt Und zu heil´ger Rechenschaft Sie im Innersten erschließt! Blickt hinab nun in den Grund, Dem das Leben still entsteigt, Forscht mit Ernst, ob es gesund Jedem Höchsten sich verzweigt! Geht an einen schaur´gen Ort, Denkt an aller Ehren Strauß, Sprecht dann laut das Schöpfungswort, Sprecht das Wort: es werde! aus! Ja, es werde! spricht auch Gott, Und sein Segen senkt sich still, Denn, den macht er nicht zum Spott, Der sich selbst vollenden will. Betet dann, doch betet nur Zu euch selbst, und ihr beschwört Aus der eigenen Natur Einen Geist, der euch erhört. Leben heißt, tief einsam sein: In die spröde Knospe drängt Sich kein Tropfen Taus hinein, Eh sie inn´re Glut zersprengt. Gott dem Herrn ist´s ein Triumph, Wenn ihr nicht vor ihm vergeht, Wenn ihr, statt im Staube dumpf Hinzuknieen, herrlich steht, Wenn ihr stolz, dem Baume gleich Euch nicht unter Blüten bückt, Wenn die Last des Segens euch Erst hinab zur Erde drückt. Fort den Wein! Wer noch nicht flammt, Ist nicht seines Kusses wert, Und wer selbst vom Feuer stammt, Steht schon lange glutverklärt. Euch geziemt nur eine Lust, Nur ein Gang durch Sturm und Nacht, Der aus eurer dunklen Brust Einen Sternenhimmel macht!
Sie hat ein Kind geboren, Zu höchster Lust in tiefstem Leid, Und ist nun ganz verloren In seine stumme Lieblichkeit. Es blüht zwei kurze Tage, So daß sie´s eben küssen mag, Und ohne Laut und Klage Neigt es sein Haupt am dritten Tag. Und wie es still erblaßte, So trägt sie still den heil´gen Schmerz, Und eh´ sie´s ganz noch faßte, Daß es dahin ist, bricht ihr Herz. Der mit dem Lilienstengel Sonst tritt aus einem finstern Thor, Er ging, der Todes-Engel, Aus ihrem eig´nen Schooß hervor.