Du bist der Vogel, dessen Flügel kamen,wenn ich erwachte in der Nacht und rief.Nur mit den Armen rief ich, denn dein Namenist wie ein Abgrund, tausend Nächte tief.Du bist der Schatten, drin ich still entschlief,und jeden Traum ersinnt in mir dein Samen, -du bist das Bild, ich aber bin der Rahmen,der dich ergänzt in glänzendem Relief.Wie nenn ich dich? Sieh, meine Lippen lahmen.Du bist der Anfang, der sich groß ergießt,ich bin das langsame und bange Amen,das deine Schönheit scheu beschließt.Du hast mich oft aus dunklem Ruhn gerissen,wenn mir das Schlafen wie ein Grab erschienund wie Verlorengehen und Entfliehn, -da hobst du mich aus Herzensfinsternissenund wolltest mich auf allen Türmen hissenwie Scharlachfahnen und wie Draperien.Du: der von Wundern redet wie vom Wissenund von den Menschen wie von Melodienund von den Rosen: von Ereignissen,die flammend sich in deinem Blick vollziehn, -du Seliger, wann nennst du einmal Ihn,aus dessen siebentem und letztem Tagenoch immer Glanz auf deinem Flügelschlageverloren liegt...Befiehlst du, daß ich frage?
Ich sprach von dir als von dem sehr Verwandten, zu dem mein Leben hundert Wege weiß, ich nannte dich, den alle Kinder kannten, für den ich dunkel bin und leis. Ich nannte dich den Nächsten meiner Nächte und meiner Abende Verschwiegenheit, und du bist der, in dem ich nicht geirrt, den ich betrat wie ein gewohntes Haus. Jetzt geht dein Wachsen über mich hinaus: Du bist der Werdenste, der wird.
Weiße Freundinnen mitten im Heute lachen und horchen und planen für morgen; abseits erwägen gelassene Leute langsam ihre besonderen Sorgen, das Warum und das Wann und das Wie, und man hört sie sagen: Ich glaube –; aber in ihrer Spitzenhaube ist sie sicher, als wüßte sie, daß sie sich irren, diese und alle. Und das Kinn, im Niederfalle, lehnt sich an die weiße Koralle, die den Schal zur Stirne stimmt. Einmal aber, bei einem Gelache, holt sie aus springenden Lidern zwei wache Blicke und zeigt diese harte Sache, wie man aus einem geheimen Fache schöne ererbte Steine nimmt.
Jene Wirklichen, die ihrem Gleichen überall zu wachsen und zu wohnen gaben, fühlten an verwandten Zeichen Gleiche in den aufgelösten Reichen, die der Gott, mit triefenden Tritonen, überströmt bisweilen übersteigt; denn da hatte sich das Tier gezeigt: anders als die stumme, stumpfgemute Zucht der Fische, Blut von ihrem Blute und von fern dem Menschlichen geneigt. Eine Schar kam, die sich überschlug, froh, als fühlte sie die Fluten glänzend: Warme, Zugetane, deren Zug wie mit Zuversicht die Fahrt bekränzend, leichtgebunden um den runden Bug wie um einer Vase Rumpf und Rundung, selig, sorglos, sicher vor Verwundung, aufgerichtet, hingerissen, rauschend und im Tauchen mit den Wellen tauschend die Trireme heiter weitertrug. Und der Schiffer nahm den neugewährten Freund in seine einsame Gefahr und ersann für ihn, für den Gefährten, dankbar eine Welt und hielt für wahr, dass er Töne liebte, Götter, Gärten und das tiefe, stille Sternenjahr.
Mein Vater war ein verbannter König von überm Meer. Ihm kam einmal ein Gesandter: sein Mantel war ein Panther, und sein Schwert war schwer. Mein Vater war wie immer ohne Helm und Hermelin; es dunkelte das Zimmer wie immer arm um ihn. Es zitterten seine Hände und waren blaß und leer, - in bilderlose Wände blicklos schaute er. Die Mutter ging im Garten und wandelte weiß im Grün, und wollte den Wind erwarten vor dem Abendglühn. Ich träumte, sie würde mich rufen, aber sie ging allein, - ließ mich vom Rande der Stufen horchen verhallenden Hufen und ins Haus hinein: Vater! Der fremde Gesandte...? Der reitet wieder im Wind... Was wollte der? Er erkannte dein blondes Haar, mein Kind. Vater! Wie war er gekleidet! Wie der Mantel von ihm floß! Geschmiedet und geschmeidet war Schulter, Brust und Roß. Er war eine Stimme im Stahle, er war ein Mann aus Nacht, - aber er hat eine schmale Krone mitgebracht. Sie klang bei jedem Schritte an sein sehr schweres Schwert, die Perle in ihrer Mitte ist viele Leben wert. Vom zornigen Ergreifen verbogen ist der Reifen, der oft gefallen war: es ist eine Kinderkrone, - denn Könige sind ohne; - gieb sie meinem Haar! Ich will sie manchmal tragen in Nächten, blaß vor Scham. Und will dir, Vater, sagen, woher der Gesandte kam. Was dort die Dinge gelten, ob steinern steht die Stadt, oder ob man in Zelten mich erwartet hat. Mein Vater war ein Gekränkter und kannte nur wenig Ruh. Er hörte mir mit verhängter Stirne nächtelang zu. Mir lag im Haar der Ring. Und ich sprach ganz nahe und sachte, daß die Mutter nicht erwachte, - die an dasselbe dachte, wenn sie, ganz weiß gelassen, vor abendlichen Massen durch dunkle Garten ging. So wurden wir verträumte Geiger, die leise aus den Türen treten, um auszuschauen, eh sie beten, ob nicht ein Nachbar sie belauscht. Die erst, wenn alle sich zerstreuten, hinter dem letzten Abendläuten, die Lieder spielen, hinter denen (wie Wald im Wind hinter Fontänen) der dunkle Geigenkasten rauscht. Denn dann nur sind die Stimmen gut, wenn Schweigsamkeiten sie begleiten, wenn hinter dem Gespräch der Saiten Geräusche bleiben wie von Blut; und bang und sinnlos sind die Zeiten, wenn hinter ihren Eitelkeiten nicht etwas waltet, welches ruht. Geduld: es kreist der leise Zeiger, und was verheißen ward, wird sein: Wir sind die Flüstrer vor dem Schweiger, wir sind die Wiesen vor dem Hain; in ihnen geht noch dunkles Summen - (viel Stimmen sind und doch kein Chor) und sie bereiten auf die stummen tiefen heiligen Haine vor...
Traum ist Brokat, der vor dir niederfließt.Traum ist ein Baum, ein Glanz der geht, ein Laut –ein Fühlen, das in dir beginnt und schließt ist Traum;ein Tier das dir ins Auge schaut ist Traum;ein Engel, welcher dich genießt, ist Traum.Traum ist das Wort, das sanften Falles in dein Gefühlfällt wie ein Blütenblatt,das dir im Haar bleibt: licht, verwirrt und matt –,hebst du die Hände auf: auch dann kommt Traum,kommt in sie wie das Fallen eines Balles –;fast alles träumt –, du aber trägst das alles.
Alle, welche dich suchen,versuchen dich.Ich aber will dich begreifen,wie dich die Erde begreift -Ich will von dir keine Eitelkeit,die dich beweist.Ich weiß, daß die Zeitanders heißtals du.Tu mir kein Wunder zulieb,gib deinen Gesetzen recht,die von Geschlecht zu Geschlechtsichtbar sind.
Das ist die Sehnsucht: wohnen im Gewogeund keine Heimat haben in der Zeit.Und das sind Wünsche: leise Dialogetäglicher Stunden mit der Ewigkeit. Und das ist Leben. Bis aus einem Gesterndie einsamste von allen Stunden steigt,die, anders lächelnd als die andern Schwestern,dem Ewigen entgegenschweigt.
Und ich möchte dich so gut ich kann bitten,Geduld zu haben gegen alles Ungelöstein deinem Herzen,und zu verstehen.Die Fragen selbst lieb zu habenwie verschlossene Stuben.Und wie Bücher, die in einer fremden Sprachegeschrieben sind.Forsche jetzt nicht nach Antworten,die dir nicht gegeben werden können,weil du sie nicht leben könntest.Und es handelt sich darumalles zu leben.Vielleicht lebst du dannallmählich – ohne es zu merken –in deine Antworten hinein.
Selten reicht ein Schauer feuchter Fäule aus dem Gartenschatten, Wo einander Tropfen fallen hören Und ein Wandervogel lautet, Zu der Säule, die in Majoran und Koriander steht Und Sommerstunden zeigt; Nur sobald die Dame (der ein Diener nachfolgt) In dem hellen Florentiner über ihren Rand sich neigt, Wird sie schattig und verschweigt. Oder wenn ein sommerlicher Regen aufkommt Aus dem wogenden Bewegen hoher Kronen, Hat sie eine Pause; Denn sie weiß die Zeit nicht auszudrücken, Die dann in den Frucht- und Blumenstücken Plötzlich glüht im weißen Gartenhause.