An der höhern Stufe vermißt ihr gewöhnlich die niedre,Lernt’s doch endlich, sie wird eben mit dieser erkauft.Daß ein Ganzes werde, muß jeglicher Teil sich bescheiden,Tritt er einzeln hervor, wuchert er, wie er nur kann,Und er wird, wo er herrscht, sich freilich stärker erweisen,Als er tut, wo er dient, aber ein Tor nur vergleicht.Denkt nur an den Menschen! Ihm gaben alle GeschöpfeVon dem Ihrigen ab, doch er erreicht auch nicht eins,Oder hat er die Klaue des Löwen, den Fittich des Vogels?Selbst das stumpfe Insekt trotzt ihm mit seinem Instinkt.Dennoch ist er ihr König, und jedes muß sich ihm beugen,Aber ihm gleicht das Genie, das die Talente vereint.
1Es spielten auf der BlumenauDie Kinder allzumal,Die Sonne sank, der Mond sah hellHerab ins stille Tal.Da nahte eine Mutter sichUnd winkte ihrem Sohn.Der Knabe sah sie bittend an:"Ach, liebste Mutter, schon?"Die Mutter ging mit ihm nach HausUnd zog ihm aus das Kleid,Der Knabe trotzte: fern von mirSind Schlaf und Müdigkeit!Die Mutter brachte ihn zu Bett,Das kränkte ihn gar tief;Sein Auge war noch tränenfeucht,Als er schon ruhig schlief.Ich frug: warum muß euer KindSo früh zu Bette gehn?Die Mutter lächelte mich an:"Um fröhlich aufzustehn!"2Ich ging nach einer kurzen FristDem kleinen Haus vorbei;Ich sah die Fenster dicht verhülltUnd hörte Wehgeschrei.Ich ging hinein, da sah ich bald,Was hier geschehen war,Der muntre Knabe, still und bleich,Lag auf der Totenbahr.Die Mutter schaute auf zu mir,Sie sah mich flehend an,Ich wurde erst so still wie sie,Doch tröstend sprach ich dann:Der liebe Gott, er denkt wie du,Läßt früh ihn schlafen gehn,Damit er einst am Jüngsten TagKann fröhlich auferstehn!
Wenn ich abends einsam gehe Und die Blätter fallen sehe, Finsternisse niederwallen, Ferne, fromme Glocken hallen: Ach, wie viele sanfte Bilder, Immer inniger und milder, Schatten längst vergangner Zeiten, Seh ich dann vorübergleiten. Was ich in den fernsten Stunden, Oft nur halb bewußt, empfunden, Dämmert auf in Seel´ und Sinnen, Mich noch einmal zu umspinnen. Und im inneren Zerfließen Mein ich´s wieder zu genießen, Was mich vormals glücklich machte, Oder mir Vergessen brachte. Doch, dann frag ich mich mit Beben: Ist so ganz verarmt dein Leben? Was du jetzt ersehnst mit Schmerzen, Sprich, was war es einst dem Herzen? Völlig dunkel ist´s geworden, Schärfer bläst der Wind aus Norden, Und dies Blatt, dies kalt benetzte, Ist vielleicht vom Baum das letzte.
Im Dunkeln saß verlassen ein KindUnd weinte hinaus in Nacht und Wind,Und streckte empor die zitternde Hand,Das blaue Auge gen Himmel gewandt."Du Vater dort oben, mein Vater du,Komm, führ mich Verlaßnen der Mutter zu,In die schwarze Erde, da grub man sie einUnd ließ mich Armen so ganz allein."Und Gott im Himmel hörte sein Flehn,Er hatte die weinende Unschuld gesehn:"Verlassen wäre das Kindlein mein?Wo die Mutter ist, da muß das Kindlein sein!"Und der Engel des Todes umfaßte mildDer trostlosen Unschuld trauerndes Bild:"Lieb Herz, sei ruhig und sonder Harm,Ich führe dich ja in der Mutter Arm!""Du, fremder Mann, wie gut du bist!So weißt du, wo meine Mutter ist?O eile, und bringe mich hin zu ihr,Die Mutter liebt mich, sie dankt es dir!""Du Kindlein, siehst du die Blitze glühn?Dahin woll´n wir gläubigen Sinnes ziehn.Oft sahst du der Sterne trauliches Licht?Dort wohnt der Herrgott, der lässet uns nicht."Und Weste umsäuseln sie lau und klar,und Rosen umdüften sie wunderbar.Bei der Himmelspforte langen sie an,Da war die Pforte schon aufgetan.Und Kindlein sank an der Mutter BrustUnd trank den Becher der reinen LustUnd sah viel liebliche Blümlein blühnUnd spielte mit Engeln auf weichem Grün!
Trinkt des Weines dunkle Kraft, Die euch durch die Seele fließt Und zu heil´ger Rechenschaft Sie im Innersten erschließt! Blickt hinab nun in den Grund, Dem das Leben still entsteigt, Forscht mit Ernst, ob es gesund Jedem Höchsten sich verzweigt! Geht an einen schaur´gen Ort, Denkt an aller Ehren Strauß, Sprecht dann laut das Schöpfungswort, Sprecht das Wort: es werde! aus! Ja, es werde! spricht auch Gott, Und sein Segen senkt sich still, Denn, den macht er nicht zum Spott, Der sich selbst vollenden will. Betet dann, doch betet nur Zu euch selbst, und ihr beschwört Aus der eigenen Natur Einen Geist, der euch erhört. Leben heißt, tief einsam sein: In die spröde Knospe drängt Sich kein Tropfen Taus hinein, Eh sie inn´re Glut zersprengt. Gott dem Herrn ist´s ein Triumph, Wenn ihr nicht vor ihm vergeht, Wenn ihr, statt im Staube dumpf Hinzuknieen, herrlich steht, Wenn ihr stolz, dem Baume gleich Euch nicht unter Blüten bückt, Wenn die Last des Segens euch Erst hinab zur Erde drückt. Fort den Wein! Wer noch nicht flammt, Ist nicht seines Kusses wert, Und wer selbst vom Feuer stammt, Steht schon lange glutverklärt. Euch geziemt nur eine Lust, Nur ein Gang durch Sturm und Nacht, Der aus eurer dunklen Brust Einen Sternenhimmel macht!
Wie durch so manchen OrtBin ich nun schon gekommen,Und hab’ aus keinem fortEin freundlich Bild genommen.Man prüft am fremden GastDen Mantel und den Kragen,Mit Blicken, welche fastDie Liebe untersagen.Der Gruß trägt so die SpurGleichgültig-offner Kälte,Daß ich ihn ungern nurMit meinem Dank vergelte.Und weil sie in der BrustMir nicht die Flamme nähren,So muß sie ohne LustSich in sich selbst verzehren.Da ruf’ ich aus mit Schmerz,Indem ich fürbaß wandre:Man hat nur dann ein Herz,Wenn man es hat für andre.
Auf einem Häuserblocke sitzt er breit.Die Winde lagern schwarz um seine Stirn.Er schaut voll Wut, wo fern in Einsamkeitdie letzten Häuser in das Land verirr´n.Vom Abend glänzt der rote Bauch dem Baal,die großen Städte knieen um ihn her.Der Kirchenglocken ungeheure Zahlwogt auf zu ihm aus schwarzer Türme Meer.Wie Koybanten-Tanz dröhnt die Musikder Millionen durch die Straßen laut.Der Schlote Rauch, die Wolken der Fabrikziehn auf zu ihm, wie Duft von Weihrauch blaut.Das Wetter schwelt in seinen Augenbrauen.Der dunkle Abend wird in Nacht betäubt.Die Stürme flattern, die wie Geier schauenvon seinem Haupthaar, das im Zorne sträubt.Er streckt ins Dunkle seine Fleischerfaust.Er schüttelt sie. Ein Meer von Feuer jagtdurch eine Straße. Und der Glutqualm braustund frißt sie auf, bis spät der Morgen tagt.
Schilt nimmermehr die Stunde hart,Die fort von dir was Teures reißt;Sie schreitet durch die GegenwartAls ferner Zukunft dunkler Geist.Sie will dich vorbereiten, ernst,Auf das, was unabwendbar droht,Damit du heut entbehren lernst,Was morgen sicher raubt der Tod.
Kein Lebewohl, kein banges Scheiden!Viel lieber ein Geschiedensein!Ertragen kann ich jedes Leiden,doch trinken kann ich nichts wie Wein.Wir saßen gestern noch beisammen,von Trennung wußt ich selbst noch kaum!Das Herz trieb seine alten Flammen,die Seele spann den alten Traum.Dann rasch ein Kuß vom lieben Munde,nicht schmerzgetränkt, nicht angstverkürzt!Das nenn´ ich eine Abschiedsstunde,die leere Ewigkeiten würzt.
Hab Achtung vor dem MenschenbildUnd denke, daß, wie auch verborgen,Darin für irgendeinen MorgenDer Keim zu allem Höchsten schwillt!Hab Achtung vor dem MenschenbildUnd denke, daß, wie tief er stecke,Ein Hauch des Lebens, der ihn wecke,Vielleicht aus deiner Seele quillt!Hab Achtung vor dem Menschenbild!Die Ewigkeit hat eine Stunde,Wo jegliches dir eine WundeUnd wenn nicht die, ein Sehnen stillt!