Wir schreiten lange stumm und stillZusammen durch das Leben;Wenn auch das Herz sich öffnen will, So schließt sich´s doch mit Beben.Wir pressen schweigend Hand in Hand,Das Auge perlt von Tränen,Da wird erkannt, doch nicht genannt,Was wir mit Angst ersehnen.Doch naht sie, ernst und finster, nun,Die bange Trennungsstunde,Da kann das Herz nicht länger ruhn,Springt auf wie eine Wunde.Dann wir Armen schnell vereintIn schmerzlich süßem Triebe,Und jeder frägt, und jeder weint:Du hattest so viel Liebe?Tief sind wir in den süßen Tausch,Ach, allzutief, versunken,Wir haben uns in wildem RauschDie Seelen zugetrunken.Man fühlt, was Mensch dem Menschen ist,Dann aber soll man scheiden,Und in der Stund´, wo mans ermißt,Muß man´s auf ewig meiden.
Im Dunkeln saß verlassen ein KindUnd weinte hinaus in Nacht und Wind,Und streckte empor die zitternde Hand,Das blaue Auge gen Himmel gewandt."Du Vater dort oben, mein Vater du,Komm, führ mich Verlaßnen der Mutter zu,In die schwarze Erde, da grub man sie einUnd ließ mich Armen so ganz allein."Und Gott im Himmel hörte sein Flehn,Er hatte die weinende Unschuld gesehn:"Verlassen wäre das Kindlein mein?Wo die Mutter ist, da muß das Kindlein sein!"Und der Engel des Todes umfaßte mildDer trostlosen Unschuld trauerndes Bild:"Lieb Herz, sei ruhig und sonder Harm,Ich führe dich ja in der Mutter Arm!""Du, fremder Mann, wie gut du bist!So weißt du, wo meine Mutter ist?O eile, und bringe mich hin zu ihr,Die Mutter liebt mich, sie dankt es dir!""Du Kindlein, siehst du die Blitze glühn?Dahin woll´n wir gläubigen Sinnes ziehn.Oft sahst du der Sterne trauliches Licht?Dort wohnt der Herrgott, der lässet uns nicht."Und Weste umsäuseln sie lau und klar,und Rosen umdüften sie wunderbar.Bei der Himmelspforte langen sie an,Da war die Pforte schon aufgetan.Und Kindlein sank an der Mutter BrustUnd trank den Becher der reinen LustUnd sah viel liebliche Blümlein blühnUnd spielte mit Engeln auf weichem Grün!
Aus dem gold´nen Morgen-QualmSich herniederschwingend,Hüpft die Meise auf den Halm,Aber noch nicht singend.Doch der Halm ist viel zu schwach,Um nicht bald zu knicken,Und nur, wenn sie flattert, magSie sich hier erquicken.Ihre Flügel braucht sie nunFlink und unverdrossen,Und indeß die Füßchen ruh´n,Wird ein Korn genossen.Einen kühlen Tropfen ThauSchlürft sie noch daneben,Um mit Jubel dann in´s Blau Wieder aufzuschweben.
Ich seh´ dein Haupt mit Lorbeer´n reich bekränzt, Doch auch vom Schnee des Alters weiß umglänzt. O, kauftest du, der Welt, wie dir, zum Glück, Jetzt für den Kranz die Locken dir zurück! Du würdest durch den Ruhm, der dich verklärt, Des Lebens, das er kostet, doppelt wert: Warum versagt dir die Natur den Preis? Welch einen Jüngling gäbe solch ein Greis!*) Hebbel an Christine (6. Mai 1857): »Mit diesem Gedicht komme ich soeben, halb acht Uhr abends, aus dem Park von Weimar zurück und da ist es für Dich, mein teures Weib, aufgeschrieben: es ist gewissermaßen an den alten Goethe gerichtet, denn mir war, als ob ich ihn wandeln sähe, wie die Schatten sich zu verdichten anfingen.«
Es flog in X mein Hut mir ab,Natürlich über die Grenze,Und als ich, ihn wiederholen, lief,Da gab´s vertrackte Tänze.Ich durfte den deutschen NachbarstaatNicht ohne Paß betreten,Und da ich bloß spazierenging,So hatt´ ich mir keinen erbeten.Das tat ich nun, auch wurde ichIn Gnaden damit versehen,Doch war´s um meinen armen HutTrotz alledem geschehen.Der war schon längst im dritten StaatUnd blieb auch dort nicht liegen,Ihn ließ der schadenfrohe WindEin Dutzend noch durchfliegen.Was half mir nun der gute Paß,Den ich in X genommen?Zehn neue braucht ich in einem Tag,Da war nicht nachzukommen.Ich kaufte mir einen andern Hut,Der Meister aber erwählteDen Wiener Kongress zum Schutzpatron,Als ich mein Schicksal erzählte.
Seele, die du unergründlichTief versenkt, dich ätherwärtsSchwingen möchtest und allstündlichDich gehemmt wähnst durch den Schmerz,An den Taucher, an den stillen,Denke, der in finstrer SeeFischt nach eines Höhern Willen.Nur vom Atmen kommt sein Weh.Ist die Perle erst gefundenIn der öder Wellengruft,Wird er schnell emporgewunden,Daß ihn heitre Licht und Luft.Was sich lange ihm verhehlte,Wird ihm dann auf einmal klar,Daß, was ihn im Abgrund quälte,Eben nur sein Leben war.
Jüngst traf ich einen alten Mann Und hub ihm vorzusingen an, Doch an den Mienen des Gesichts Bemerkt´ ich bald, er höre nichts. Da dachte ich: der Greis ist taub, Drum wird dein Lied des Windes Raub, So tu´ ihm denn, nicht durch den Mund, Durch Zeichen dies und jenes kund. Ich tat´s, doch ward mir leider klar, Daß er auch schon erblindet war, Denn, wie der Frosch aus seinem Sumpf, Hervorglotzt, sah er dumpf und stumpf, Und ungestört in seiner Ruh´, Der Sprache meiner Finger zu. Ich rief: mit dem steht´s schlimm genug, Doch mögt´ ich ihm den letzten Zug Noch gönnen aus dem Lebensquell! Da reicht´ ich ihm die Rose schnell, Die ich für meine Braut gepflückt, Allein auch das ist schlecht geglückt, Ihm schien der Duft nicht mehr zu sein, Wie einem Gartengott von Stein. Nunmehr verlor ich die Geduld, Ich dacht´ an meines Mädchens Huld, Die mir so schmählig jetzt entging, Da sie die Rose nicht empfing, Und jagte ihm im ersten Zorn In´s dicke Fell den scharfen Dorn; Doch bracht´ auch dies ihm wenig Not, Er zuckte nicht, er – war wohl tot!
Quellende, schwellende Nacht,Voll von Lichtern und Sternen:In den ewigen Fernen,Sage, was ist da erwacht! Herz in der Brust wird beengt,Steigendes, neigendes Leben,Riesenhaft fühle ich´s weben,Welches das meine verdrängt. Schlaf, da nahst du dich leis,Wie dem Kinde die Amme,Und um die dürftige FlammeZiehst du den schützenden Kreis.
Es sind zwei treue Brüder,Die ziehn in den Streit hinaus,Noch reden sie hin und wieder,Da schmettert´s den einen danieder,Der andere sieht´s mit Graus.Der Bruder in seinem BluteErregt ihm bitteren Schmerz;Daß ihn der Tod ereilte,Bevor er den Kampf noch teilte,Zerreißt ihm ganz das Herz.Der Sterbende blickt freundlichNoch einmal auf zu ihm,Dann greift er, als wär´ er der alte,Zur Büchse, die noch nicht knallte,Drückt ab mit Ungestüm.Nun bricht er wieder zusammenUnd lächelt, und ist tot. –Der andre, als er sich wandte,Sah einen Feind im Sande,Des Kugel ihm gedroht.
Wie die Knospe hütend, Daß sie nicht Blume werde, Liegt´s so dumpf und brütend Über der drängenden Erde. Wolkenmassen ballten Sich der Sonne entgegen, Doch durch tausend Spalten Dringt der befruchtende Segen. Glühnde Düfte ringeln In die Höhe sich munter. Flüchtig grüßend, züngeln Streifende Lichter herunter. Daß nun, still erfrischend, Eins zum andern sich finde, Rühren, alles mischend, Sich lebendige Winde.Und so kann, so kann auch ichNicht begreifen und nicht fassen,Wie in meiner Seele sichNoch ein Glück wird ziehen lassen.Doch ich weiß: zur Wonne geht,Wer da wallt auf Dornenbahnen,Und durch meinen Winter wehtEin tief selig Frühlingsahnen!