Es ist ein stiller Regentag,So weich, so ernst, und doch so klar,Wo durch den Dämmer brechen magDie Sonne weiß und sonderbar.Ein wunderliches Zwielicht spieltBeschaulich über Berg und Tal;Natur, halb warm und halb verkühlt,Sie lächelt noch und weint zumal.Die Hoffnung, das VerlorenseinSind gleicher Stärke in mir wach;Die Lebenslust, die Todespein,Sie ziehn auf meinem Herzen Schach.Ich aber, mein bewußtes Ich,Beschau´ das Spiel in stiller Ruh,Und meine Seele rüstet sichZum Kampfe mit dem Schicksal zu.
Spinnen waren mir auch zuwiderAll meine jungen Jahre,Ließen sich von der Decke niederIn die Scheitelhaare.Saßen verdächtig in den EckenOder rannten, mich zu erschreckenÜber Tischgefild und Hände,Und das Töten nahm kein Ende.Erst als schon die Haare grauten,Begann ich sie zu schonen.Mit den ruhig AngeschautenBrüderlich zu wohnen;Jetzt mit ihren kleinen Sorgen,Halten sie sich still geborgen,Läßt sich einmal eine sehen,Lassen wir uns weislich gehen.Hätt´ ich nun ein Kind, ein kleines,In väterlichen Ehren,Recht ein liebliches und feines,Würd´ ichs mutig lehrenSpinnen mit den Händchen fassenUnd sie freundlich zu entlassen;Früher lernt´ es Friede halten,Als es mir gelang, dem Alten!
Wir haben deinen tiefen Gram vernommenUnd sind in deinen Garten still gekommen,Wir stimmen unsere Saiten mit Bedacht,Erwartend lauscht die laue Maiennacht.Zu deines Ungetreuen Reu´ und Leide,Zu deiner Nachbarinnen bitterm Neide,Zu deiner Mutter Stolz und stiller Lust,So wollen singen wir aus voller Brust!Zünd´ an dein Licht, daß unser Lied dich ehreUnd vor dem Sternenzelt dein Leid verkläre!Noch gibt´s manch´ Auge, das in Treuen blitzt,Manch´ Herz, das noch an rechter Stelle sitzt!Wohl selig sind, die in der Liebe leiden,Und ihrer Augen teure Perlen kleidenDie weißen Wangen mehr, als MorgentauDie Lilienkelche auf der Sommerau.Die Liebe, die um Liebe ward betrogen,Glänzt hoch und herrlich gleich dem Regenbogen;Zu seinen Füßen, die in Blumen stehn,Da liegen goldne Schüsseln ungesehn.
Welch lustiger Wald um das hohe Schloßhat sich zusammengefunden,Ein grünes bewegliches Nadelgehölz,Von keiner Wurzel gebunden!Anstatt der warmen Sonne scheintDas Rauschgold durch die Wipfel;Hier backt man Kuchen, dort brät man Wurst,Das Räuchlein zieht um die Gipfel.Es ist ein fröhliches Leben im Wald,Das Volk erfüllet die Räume;Die nie mit Tränen ein Reis gepflanzt,Die fällen am frohsten die Bäume.Der eine kauft ein bescheidnes GewächsZu überreichen Geschenken,Der andre einen gewaltigen Strauch,Drei Nüsse daran zu henken.Dort feilscht um ein winziges KieferleinEin Weib mit scharfen Waffen;Der dünne Silberling soll zugleichDen Baum und die Früchte verschaffen.Mit rosiger Nase schleppt der LakaiDie schwere Tanne von hinnen;Das Zöfchen trägt ein Leiterchen nach,Zu ersteigen die grünen Zinnen.Und kommt die Nacht, so singt der WaldUnd wiegt sich im Gaslichtscheine;Bang führt die ärmste Mutter ihr KindVorüber am Zauberhaine.Einst sah ich einen Weihnachtsbaum:Im düsteren BergesbanneStand reifbezuckert auf dem Gratdie alte Wettertanne.Und zwischen den Ästen waren schönDie Sterne aufgegangen;Am untersten Ast sah man entsetztDie alte Wendel hangen.Hell schien der Mond ihr ins Gesicht,Das festlich still verkläret;Weil auf der Welt sie nichts besaß,Hatt´ sie sich selbst bescheret.
Es wandert eine schöne SageWie Veilchenduft auf Erden um,Wie sehnend eine LiebesklageGeht sie bei Tag und Nacht herum. Das ist das Lied vom VölkerfriedenUnd von der Menschheit letztem Glück,Von goldner Zeit, die einst hienieden,Der Traum als Wahrheit, kehrt zurück.Wo einig alle Völker betenZum Einen König, Gott und Hirt:Von jenem Tag, wo den ProphetenIhr leuchtend Recht gesprochen wird.Dann wird´s nur eine Schmach noch geben,Nur eine Sünde in der Welt:Des Eigen-Neides Widerstreben,Der es für Traum und Wahnsinn hält.Wer jene Hoffnung gab verlorenUnd böslich sie verloren gab,Der wäre besser ungeboren:Denn lebend wohnt er schon im Grab.
Die Schenke dröhnt, und an dem langen TischRagt Kopf an Kopf verkommener Gesellen;Man pfeift, man lacht; Geschrei, Fluch und GezischErtönte an des Trankes trüben Wellen. In dieser Wüste glänzt´ ein weißes Brot,Sah man es an, so ward dem Herzen besser;Sie drehten eifrig draus ein schwarzes SchrotUnd wischten dran die blinden Schenkemesser.Doch Einem, der da mit den andern schrie,Fiel untern Tisch des Brots ein kleiner Bissen;Schnell fuhr er nieder, wo sich Knie an KnieGebogen drängte in den Finsternissen.Dort sucht´ er selbstvergessen nach dem Brot,Doch da begann´s rings um ihn zu rumoren,Sie brachten mit den Füßen ihn in NotUnd schrie´n erbost: Was, Kerl! hast du verloren?Errötend taucht´ er aus dem dunklen GrausUnd barg es in des Tuches grauen Falten.Er sann und sah sein ehrlich VaterhausUnd einer treuen Mutter häuslich Walten.Nach Jahren aber saß derselbe MannBei Herrn und Damen an der Tafelrunde,Wo Sonnenlicht das Silber überspannUnd in gewählten Reden floh die Stunde.Auch hier lag Brot, weiß wie der Wirtin Hand,Wohlschmeckend in dem Dufte guter Sitten;Er selber hielt´s nun fest und mit Verstand,Doch einem Fräulein war ein Stück entglitten.O lassen Sie es liegen! sagt sie schnell;Zu spät, schon ist er unter´n Tisch gefahrenUnd späht und sucht, der närrische Gesell,Wo kleine seid´ne Füßchen stehn zu Paaren.Die Herren lächeln und die Damen zieh´nDie Sessel scheu zurück vor dem Beginnen;Er taucht empor und legt das Brötchen hin,Errötend hin auf das damast´ne Linnen.Zu artig, Herr! dankt ihm das schöne Kind,Indem sie spöttisch lächelnd sich verneigte;Er aber sagte höflich und gelind,Indem er sich gar sittsam tief verbeugte:Wohl einer Frau galt meine Artigkeit,Doch Ihnen diesmal nicht, verehrte Dame!Es galt der Mutter, die vor langer ZeitEntschlafen ist in Leid und bitt´rem Grame.
Schon hat die Nacht den SilberscheinDes Himmels aufgetan:Nun spült der See den WiderscheinZu dir, zu dir hinan!Und in dem Glanze schaukelt sichEin leichter dunkler Kahn;Der aber trägt und schaukelt michZu dir, zu dir hinan!Ich höre schon den Brunnen gehnDem Pförtlein nebenan,Und dieses hat ein gütig WehnVon Osten aufgetan.Das Sternlein schießt, vom Baume fälltDas Blust in meinen Kahn;Nach Liebe dürstet alle Welt –Nun, Schifflein, leg dich an!
Ein Fischlein steht am kühlen Grund,Durchsichtig fließen die Wogen,Und senkrecht ob ihm hat sein RundEin schwebender Falk gezogen.Der ist so lerchenklein zu sehnZuhöchst im Himmelsdome;Er sieht das Fischlein ruhig stehn,Glänzend im tiefen Strome!Und dieses auch hinwieder siehtIns Blaue durch seine Welle.Ich glaube gar, das Sehnen ziehtEins an des andern Stelle!
Es ist nicht Selbstsucht und nicht Eitelkeit,Was sehnend mir das Herz gradüber trägt;Was mir die kühngeschwungene Brücke schlägt,Ist wohl der Stolz, der mich vom Staub befreit.Sie ist so eng, die grüne Erdenzeit,Unendlich aber, was den Geist bewegt!Wie wenig ist´s, was ihr im Busen hegt,Da ihr so satt hier, so vergnüglich seid!
Man merkte, daß der Wein geraten war:Der alte Bettler wankte aus dem Tor,Die Wangen glühend, wie ein Rosenflor,Mutwillig flatterte sein Silberhaar.Und vor und hinter ihm die KinderscharUmdrängt´ ihn, wie ein Klein-Bacchantenchor,D´raus ragte schwank der Selige empor,Sich spiegelnd in den hundert Äuglein klar.Am Morgen, als die Kinderlein noch schliefen,Von jungen Träumen drollig angelacht,Sah man den braunen Wald von Silber triefen.Es war ein Reif gefallen über Nacht;Der Alte lag erfroren in dem tiefenGebüsch, vom Rausch im Himmel aufgewacht.