Des Berges alte Wangen sindVon Maiensonne beschienen;Sie lächeln unter Quellenglanz,Die Schilfe, die Farren ergrünen.Die Kröte springt aus dem Kieselstein,Ein Hirt hat ihn zerschlagen;Sie schaut verdrossen die Scherben an,Und sie beginnt zu sagen:»Viel tausend Jahre bin ich altSamt diesem Futterale!Es schob vom hohen FelsgebirgAllmählich mit mir zu Tale.Doch manchmal in der Wasser SturzSind wir gewaltig gesprungen;Dann hat´s um meine dunkle KlausurGesungen und geklungen.Und wie mir ist – ich weiß es nicht,Noch was ich getrieben indessen;Ich hab im mindesten nichts gelerntUnd hatte nicht viel zu vergessen.Ein warmer Regen, ein grünes KrautNur konnten mir behagen;Sie liegen mir fort und fort im SinnAus fernen Jugendtagen.So hab ich ein langweilig StückUnsterblichkeit erworben;Hätt ich getrunken lebendige Luft,Längst wär ich vernünftig gestorben.«
Ich hab in kalten WintertagenIn dunkler, hoffnungsarmer ZeitGanz aus dem Sinne dich geschlagenO Trugbild der Unsterblichkeit.Nun, da der Sommer glüht und glänzet,Nun seh ich, daß ich wohlgetan,Aufs neu hab ich das Haupt bekränzet,Im Grabe aber ruht der Wahn.Ich fahre auf dem klaren Strome,Er rinnt mir kühlend durch die Hand,Ich schau hinauf zum Blauen DomeUnd such – kein bessres Vaterland.Nun erst versteh ich, die da blühet,Oh Lilie, deinen stillen Gruß:Ich weiß, wie sehr das Herz auch glühet,Daß ich wie du vergehen muß!Seid mir gegrüßt, ihr holden Rosen;In eures Daseins flücht´gem Glück –Ich wende mich vom SchrankenlosenZu eurer Anmut froh zurück.Zu glühn, zu blühn und ganz zu leben,Das lehret euer Duft und Schein,Und willig dann sich hinzugebenDem ewigen Nimmerwiedersein.
Nun haben wir das Blau gewendetUnd frisch dem Tod ins Äug geschaut;Kein Ungewisses Ziel mehr blendet,Doch grüner scheint uns Busch und Kraut,Und wärmer ward´s in unsern Herzen,Es zeugt´s der frohgewordene Mund;Doch unsern Liedern, unsern SchmerzenLiegt auch des Scheidens Ernst zugrund.
Welch lustiger Wald um das hohe Schloßhat sich zusammengefunden,Ein grünes bewegliches Nadelgehölz,Von keiner Wurzel gebunden!Anstatt der warmen Sonne scheintDas Rauschgold durch die Wipfel;Hier backt man Kuchen, dort brät man Wurst,Das Räuchlein zieht um die Gipfel.Es ist ein fröhliches Leben im Wald,Das Volk erfüllet die Räume;Die nie mit Tränen ein Reis gepflanzt,Die fällen am frohsten die Bäume.Der eine kauft ein bescheidnes GewächsZu überreichen Geschenken,Der andre einen gewaltigen Strauch,Drei Nüsse daran zu henken.Dort feilscht um ein winziges KieferleinEin Weib mit scharfen Waffen;Der dünne Silberling soll zugleichDen Baum und die Früchte verschaffen.Mit rosiger Nase schleppt der LakaiDie schwere Tanne von hinnen;Das Zöfchen trägt ein Leiterchen nach,Zu ersteigen die grünen Zinnen.Und kommt die Nacht, so singt der WaldUnd wiegt sich im Gaslichtscheine;Bang führt die ärmste Mutter ihr KindVorüber am Zauberhaine.Einst sah ich einen Weihnachtsbaum:Im düsteren BergesbanneStand reifbezuckert auf dem Gratdie alte Wettertanne.Und zwischen den Ästen waren schönDie Sterne aufgegangen;Am untersten Ast sah man entsetztDie alte Wendel hangen.Hell schien der Mond ihr ins Gesicht,Das festlich still verkläret;Weil auf der Welt sie nichts besaß,Hatt´ sie sich selbst bescheret.
Es wandert eine schöne SageWie Veilchenduft auf Erden um,Wie sehnend eine LiebesklageGeht sie bei Tag und Nacht herum. Das ist das Lied vom VölkerfriedenUnd von der Menschheit letztem Glück,Von goldner Zeit, die einst hienieden,Der Traum als Wahrheit, kehrt zurück.Wo einig alle Völker betenZum Einen König, Gott und Hirt:Von jenem Tag, wo den ProphetenIhr leuchtend Recht gesprochen wird.Dann wird´s nur eine Schmach noch geben,Nur eine Sünde in der Welt:Des Eigen-Neides Widerstreben,Der es für Traum und Wahnsinn hält.Wer jene Hoffnung gab verlorenUnd böslich sie verloren gab,Der wäre besser ungeboren:Denn lebend wohnt er schon im Grab.
Augen, meine lieben Fensterlein,Gebt mir schon so lange holden Schein,Lasset freundlich Bild um Bild herein:Einmal werdet ihr verdunkelt sein!Fallen einst die müden Lider zu,Löscht ihr aus, dann hat die Seele Ruh;Tastend streift sie ab die Wanderschuh,Legt sich auch in ihre finstre Truh.Noch zwei Fünklein sieht sie glimmend stehnWie zwei Sternlein, innerlich zu sehn,Bis sie schwanken und dann auch vergehn,Wie von eines Falters Flügelwehn.Doch noch wandl ich auf dem Abendfeld,Nur dem sinkenden Gestirn gesellt;Trinkt, o Augen, was die Wimper hält,Von dem goldnen Überfluß der Welt!
Spinnen waren mir auch zuwiderAll meine jungen Jahre,Ließen sich von der Decke niederIn die Scheitelhaare.Saßen verdächtig in den EckenOder rannten, mich zu erschreckenÜber Tischgefild und Hände,Und das Töten nahm kein Ende.Erst als schon die Haare grauten,Begann ich sie zu schonen.Mit den ruhig AngeschautenBrüderlich zu wohnen;Jetzt mit ihren kleinen Sorgen,Halten sie sich still geborgen,Läßt sich einmal eine sehen,Lassen wir uns weislich gehen.Hätt´ ich nun ein Kind, ein kleines,In väterlichen Ehren,Recht ein liebliches und feines,Würd´ ichs mutig lehrenSpinnen mit den Händchen fassenUnd sie freundlich zu entlassen;Früher lernt´ es Friede halten,Als es mir gelang, dem Alten!
Herbstnächtliche Wolken, sie wanken und ziehnGleich fieberisch träumenden Kranken dahin:Auf Bergwald und Seele die Düsternis ruht,Ob kalt sie auch Luft und Gedanken durchfliehn.Klarstrahlend jedoch tritt hervor nun der Mond,Und weithin die Wolken entschwanken um ihn.Geh auf auch im Herzen mir, lieblicher Stern,Dem immer die Schatten noch sanken dahin!
Es war ein heitres goldnes Jahr,Nun rauscht das Laub im Sande,Und als es noch in Knopsen war,Da ging sie noch im Lande.Besehen hat sie Berg und TalUnd unsrer Ströme Wallen;Es hat im jungen SonnenstrahlIhr alles wohlgefallen.Ich weiß in meinem VaterlandNoch manchen Berg, o Liebe,Noch manches Tal, das Hand in HandUns zu durchwandern bliebe.Noch manches schöne Tal kenn´ ichVoll dunkelgrüner Eichen; –O fernes Herz, besinne dichUnd gib ein leises Zeichen!Da eilte sie voll Freundlichkeit,Die Heimat zu erlangen –Doch irrend ist sie allzu weitUnd aus der Welt gegangen.
Ich fürcht´ nit Gespenster,Keine Hexen und Feen,Und lieb´s, in ihre tiefenGlühaugen zu sehn.Am Wald in dem grünenUnheimlichen See,Da wohnet ein Nachtweib,Das ist weiß wie der Schnee.Es haßt meiner SchönheitUnschuldige Zier;Wenn ich spät noch vorbeigeh´,So zankt es mit mir.Jüngst, als ich im MondscheinAm Waldwasser stand,Fuhr sie auf ohne Schleier,Ohne alles Gewand.Es schwammen ihre GliederIn der taghellen Nacht;Der Himmel war trunkenVon der höllischen Pracht.Aber ich hab´ entblößetMeine lebendige Brust;Da hat sie mit SchandeVersinken gemußt!