Ich bin vergessen; könnt auch ich vergessen,Die Welt vergessen, welche mich vergaß!Vergessen, was ich war, und was ich bin!Vergessen, was ich tat, und was ich litt!Wie oft ich tat, was ich nicht sollte tun,Nicht wollte tun, und dennoch tat! wie oftNicht tat, was tun ich sollte, konnte tun,Auch wollte tun, und nicht tat! Könnt ich dasVergessen, mich vergessen, und ich wäreEin König glücklicher Vergessenheit.
Leben lassen, um zu leben,gelten lassen, um zu gelten;nicht, was dir nicht ansteht, schelten,weil es andern ansteht eben;diese Lehre laß dir geben;eine bessere gab man selten.
Glücklich ihr, daß ihr der Welt entronnen,Eh das Netz der Wirrung euch umsponnen,Das um die da leben wirft das Leben,Und nicht Einsicht kann´s, nur Tod, entweben.Wie sich Fremden, die sich lieben sollten,Selbst sich wehthun, die sich wohlthun wollten,Und so selten nur sich zwei verstehen,Die zusammen eines Weges gehen.Dieses Streits, mit halberwachtem Sinne,Glückliche, seid ihr nicht worden inne,Und nun seid ihr, wo er euch nicht irret,Ihr entwirrt seht alles was uns wirret.
Phantasie, das ungeheure Riesenweib,Saß zu Berg,Hatte stehen neben sich zum ZeitvertreibWitz, den Zwerg.Der VerstandSeitwärts stand,Ein proportionierter Mann,Sah das tolle Spiel mit an.Phantasie mit Donnersturm thut auf den Mund,Witz verstummt;Schweigt die Riesin, thut sogleich der Zwerg sich kund,Pfeift und summt.Der VerstandHält nicht Stand,Geht und spricht: das mag ich nicht,Denn das sieht aus wie ein Gedicht.
Ich trage still,Weil ich nicht will,Daß man mich höre klagen;Ich trag allein,Die Last ist mein,Kein andrer soll sie tragen.Ich habe bis auf diesen TagSoviel getragen Schmerz und Pein;Ich hoffe, was da kommen mag,Es wird nun auch zu tragen sein.
Im Feld der König SalomonSchlägt unterm Himmel auf den Thron;Da sieht er einen Sämann schreiten,Der Körner wirft nach allen Seiten."Was machst du da?" der König spricht;"Der Boden hier trägt Ernte nicht.Laß ab vom thörichten Beginnen;Du wirst die Aussaat nicht gewinnen."Der Sämann, seinen Arm gesenkt,Unschlüssig steht er still und denkt;Dann fährt er fort, ihn rüstig hebend,Dem weisen König Antwort gebend:"Ich habe nichts als dieses Feld,Geackert hab ich´s und bestellt;Was soll ich weitre Rechnung pflegen?Das Korn von mir, von Gott der Segen."
Das ist meine Klage,Daß vor dieser PlageSelbst verstummt die Klage.Wie ich mich am TageMit den Sorgen schlage,Wie ich nächtlich zage,Was ich stündlich trage,Läßt nicht Raum der Klage.Wann, o Himmel sage,Lösest du die FrageDer Entscheidungswage,Daß ich nicht mehr zage,Sondern überschlage,Mit Geduld ertrage,und in Ruh beklage! Sonnenschein, o schlage,In die Flucht, verjageDiese Nacht der Plage!Sommer, komm, ich trageLust nach längstem Tage,Wann ich nicht mehr zageNeuer Niederlage,Und am SarkophageDes Verlornen klage!
Chidher, der ewig junge, sprach:Ich fuhr an einer Stadt vorbei,Ein Mann im Garten Früchte brach;Ich fragte, seit wann die Stadt hier sei?Er sprach, und pflückte die Früchte fort:"Die Stadt steht ewig an diesem Ort,Und wird so stehen ewig fort."Und aber nach fünfhundert JahrenKam ich desselbigen Wegs gefahren.Da fand ich keine Spur der Stadt;Ein einsamer Schäfer blies die Schalmei,Die Herde weidete Laub und Blatt;Ich fragte: "Wie lange ist die Stadt vorbei?"Er sprach, und blies auf dem Rohre fort:"Das eine wächst, wenn das Andre dorrt;Das ist mein ewiger Weideort." –Und aber nach fünfhundert JahrenKam ich desselbigen Wegs gefahren.Da fand ich ein Meer, das Wellen schlug,Ein Schiffer warf die Netze frei;Und als er ruhte vom schweren Zug,Fragt´ ich, seit wann das Meer hier sei?Er sprach, und lachte meinem Wort:"So lang als schäumen die Wellen dort,Fischt man und fischt man in diesem Port." –Und aber nach fünfhundert JahrenKam ich desselbigen Wegs gefahren.Da fand ich einen waldigen Raum,Und einen Mann in der Siedelei,Er fällte mit der Axt den Baum;Ich fragte, wie alt der Wald hier sei?Er sprach:" Der Wald ist ein ewiger Hort;Schon ewig wohn´ ich an diesem Ort,Und ewig wachsen die Bäum´ hier fort." –Und aber nach fünfhundert JahrenKam ich desselbigen Wegs gefahren.Da fand ich eine Stadt, und lautErschallte der Markt vom Volksgeschrei.Ich fragte: Seit wann ist die Stadt erbaut?Wohin ist Wald und Meer und Schalmei?Sie schrien, und hörten nicht mein Wort:"So ging es ewig an diesem Ort,Und wird so gehen ewig fort." –Und aber nach fünfhundert JahrenWill ich desselbigen Weges fahren.
Wenn du willst im MenschenherzenAlle Saiten rühren an,Stimme du den Ton der SchmerzenNicht den Klang der Freuden an.Mancher ist, der wohl erfahrenHat auf Erden keine Lust;Keiner, der nicht still bewahrenWird ein Weh in seiner Brust.
Die seltne Sprachgewandtheit nichtBesitzt mein Lieb, das junge,Das mit den Augen fert´ger sprichtAls andre mit der Zunge.O welch ein reicher WörterschatzIn diesem offnen Briefe!Da ist ein Blick ein ganzer SatzVon unerforschter Tiefe.Sie haben Liebe blind gemalt,Man sollte stumm sie malen;Die Sprache, die dem Aug´ entstrahlt,Ersetzt des Schweigens Qualen.Das ist die Sprach´, in der alleinDie Seligen in Eden,Die Sprach´, in der im FrühlingshainSich Blumen unterreden.Das ist die Sprache, deren SchriftIm lichten Zug der Sterne,Geschrieben von der Liebe Stift,Durchblinkt die ew´ge Ferne.Die Sprache, vom Verstande nicht,Nur vom Gefühl verstanden,Darum in dieser sich besprichtDie Lieb´ in allen Landen.