Seufzend sprach ich zu der Liebe,als ich sie entschleiert sah:"Ach, daß so Dein Antlitz bliebemeinen Blicken ewig nah!Doch wie Dich die Sehnsucht freierschauet einen Augenblick,senket wieder sich der Schleierund verdüstert mein Geschick."Liebe sprach: "In ewig reinemLichtestrahl ich – o du Tor:Nicht von meinem, sondern deinemAngesichte hängt der Flor!"
Das ist meine Klage,Daß vor dieser PlageSelbst verstummt die Klage.Wie ich mich am TageMit den Sorgen schlage,Wie ich nächtlich zage,Was ich stündlich trage,Läßt nicht Raum der Klage.Wann, o Himmel sage,Lösest du die FrageDer Entscheidungswage,Daß ich nicht mehr zage,Sondern überschlage,Mit Geduld ertrage,und in Ruh beklage! Sonnenschein, o schlage,In die Flucht, verjageDiese Nacht der Plage!Sommer, komm, ich trageLust nach längstem Tage,Wann ich nicht mehr zageNeuer Niederlage,Und am SarkophageDes Verlornen klage!
Deine Kinder, hier verloren,wirst du droben wiedersehn;denn was aus dir ist geboren,kann dir nicht verloren gehn.Daß du einst sie wiedersehest,dieses kannst du wohl verstehn,wenn du auch nicht das verstehest,wie du sie wirst wiedersehn.Nicht als Kinder; oder wolltestdu sie ewig halten klein?Nicht gealtert; oder solltestdu entfremdet ihnen seyn?Die hier streitenden Gestalten,dort wo sie verglichen sind,wo nicht Mann und Weib sich spalten,trennt sich auch nicht Greis und Kind.
Wenn du willst im MenschenherzenAlle Saiten rühren an,Stimme du den Ton der SchmerzenNicht den Klang der Freuden an.Mancher ist, der wohl erfahrenHat auf Erden keine Lust;Keiner, der nicht still bewahrenWird ein Weh in seiner Brust.
Tadel mußt du lernen tragen,Dir die Wahrheit lassen sagen,Nicht darüber dich beklagen,Wenn es heilsam dich wird nagen.Aber, wenn es Tölpel wagen,Grob zu sein mit Wohlbehagen,Dir die Achtung zu versagen,Die den Tadel sollten tragen,Sollst du nichts nach ihnen fragenOder sie ins Antlitz schlagen.
Ich bin der Welt abhanden gekommen,Mit der ich sonst viele Zeit verdorben,Sie hat so lange nichts von mir vernommen,Sie mag wohl glauben, ich sei gestorben!Es ist mir auch gar nichts daran gelegen,Ob sie mich für gestorben hält,Ich kann auch gar nichts sagen dagegen,Denn wirklich bin ich gestorben der Welt.Ich bin gestorben dem Weltgetümmel,Und ruh´ in einem stillen Gebiet!Ich leb´ allein in meinem Himmel,In meinem Lieben, in meinem Lied!
Das Glück gibt um zu nehmen;Und wolltest du dich grämen,Wenn es Gegebnes nimmt,Wie es war vorbestimmt?Mußt dich entweder schämen,Unsichres anzunehmen,Oder nicht seyn ergrimmt,Wenn was zuschwamm entschwimmt.
Chidher, der ewig junge, sprach:Ich fuhr an einer Stadt vorbei,Ein Mann im Garten Früchte brach;Ich fragte, seit wann die Stadt hier sei?Er sprach, und pflückte die Früchte fort:"Die Stadt steht ewig an diesem Ort,Und wird so stehen ewig fort."Und aber nach fünfhundert JahrenKam ich desselbigen Wegs gefahren.Da fand ich keine Spur der Stadt;Ein einsamer Schäfer blies die Schalmei,Die Herde weidete Laub und Blatt;Ich fragte: "Wie lange ist die Stadt vorbei?"Er sprach, und blies auf dem Rohre fort:"Das eine wächst, wenn das Andre dorrt;Das ist mein ewiger Weideort." –Und aber nach fünfhundert JahrenKam ich desselbigen Wegs gefahren.Da fand ich ein Meer, das Wellen schlug,Ein Schiffer warf die Netze frei;Und als er ruhte vom schweren Zug,Fragt´ ich, seit wann das Meer hier sei?Er sprach, und lachte meinem Wort:"So lang als schäumen die Wellen dort,Fischt man und fischt man in diesem Port." –Und aber nach fünfhundert JahrenKam ich desselbigen Wegs gefahren.Da fand ich einen waldigen Raum,Und einen Mann in der Siedelei,Er fällte mit der Axt den Baum;Ich fragte, wie alt der Wald hier sei?Er sprach:" Der Wald ist ein ewiger Hort;Schon ewig wohn´ ich an diesem Ort,Und ewig wachsen die Bäum´ hier fort." –Und aber nach fünfhundert JahrenKam ich desselbigen Wegs gefahren.Da fand ich eine Stadt, und lautErschallte der Markt vom Volksgeschrei.Ich fragte: Seit wann ist die Stadt erbaut?Wohin ist Wald und Meer und Schalmei?Sie schrien, und hörten nicht mein Wort:"So ging es ewig an diesem Ort,Und wird so gehen ewig fort." –Und aber nach fünfhundert JahrenWill ich desselbigen Weges fahren.
Ich stand auf Berges Halde,Als heim die Sonne ging,Und sah, wie überm WaldeDes Abends Goldnetz hing.Des Himmels Wolken tautenDer Erde Frieden zu,Bei AbendglockenlautenGing die Natur zur Ruh´.Ich sprach: O Herz, empfindeDer Schöpfung Stille nun,Und schick´ mit jedem KindeDer Flur dich auch, zu ruhn.Die Blumen alle schließenDie Augen allgemach,Und alle Wellen fließenBesänftiget im Bach.Nun hat der müde SilfeSich unters Blatt gesetzt,Und die Libell´ am SchilfeEntschlummert taubenetzt.Es ward dem goldnen KäferZur Wieg´ ein Rosenblatt;Die Herde mit dem SchäferSucht ihre Lagerstatt.Die Lerche sucht aus LüftenIhr feuchtes Nest im Klee,Und in des Waldes SchlüftenIhr Lager Hirsch und Reh.Wer sein ein Hüttchen nennet,Ruht nun darin sich aus;Und wen die Fremde trennet,Den trägt ein Traum nach Haus.Mich fasset ein Verlangen,Daß ich zu dieser FristHinauf nicht kann gelangen,Wo meine Heimat ist.
Du bist mein Mond, und ich bin deine Erde;Du sagst, du drehest dich um mich.Ich weiß es nicht, ich weiß nur, daß ich werdein meinen Nächten hell durch dich. Du bist mein Mond, und ich bin deine Erde;sie sagen, du veränderst dich. Allein du änderst nur die Lichtgebärdeund liebst mich unveränderlich. Du bist mein Mond, und ich bin deine Erde,nur mein Erdenschatten hindert dich,die Liebesfackel stets am Sonnenherdezu zünden in der Nacht für mich.