Die seltne Sprachgewandtheit nichtBesitzt mein Lieb, das junge,Das mit den Augen fert´ger sprichtAls andre mit der Zunge.O welch ein reicher WörterschatzIn diesem offnen Briefe!Da ist ein Blick ein ganzer SatzVon unerforschter Tiefe.Sie haben Liebe blind gemalt,Man sollte stumm sie malen;Die Sprache, die dem Aug´ entstrahlt,Ersetzt des Schweigens Qualen.Das ist die Sprach´, in der alleinDie Seligen in Eden,Die Sprach´, in der im FrühlingshainSich Blumen unterreden.Das ist die Sprache, deren SchriftIm lichten Zug der Sterne,Geschrieben von der Liebe Stift,Durchblinkt die ew´ge Ferne.Die Sprache, vom Verstande nicht,Nur vom Gefühl verstanden,Darum in dieser sich besprichtDie Lieb´ in allen Landen.
Warum ich Weib und Kinder nenneSo oft in meinen Liedern?Weil ich sie im Gefühl nicht trenneVon meinen eignen Gliedern.Und wie man spricht von seinem Leibe,Von seinem Aug´ und Herzen,So sprech´ ich auch von Kind und WeibeIn Freuden und in Schmerzen.
Seufzend sprach ich zu der Liebe,als ich sie entschleiert sah:"Ach, daß so Dein Antlitz bliebemeinen Blicken ewig nah!Doch wie Dich die Sehnsucht freierschauet einen Augenblick,senket wieder sich der Schleierund verdüstert mein Geschick."Liebe sprach: "In ewig reinemLichtestrahl ich – o du Tor:Nicht von meinem, sondern deinemAngesichte hängt der Flor!"
Zuwenig und zuvielist beides ein Verdruß;so fehl ist überm Zielwie unterm Ziel ein Schuß.Zuwenig und zuvielist gleich sehr unvollkommen;im ernst ist und im Spieldas rechte Maß willkommen.
Ist Liebe so verstricktoder ich so ungeschickt?Als ich es mit ihr begonnen,und ihr Netz mich eingesponnen,wenn sie manch Kuß mir lieh,ob sie liebte? wuß’t ich nie.Und nachdem das Netz zerrissen,schein’ ich noch es nicht zu wissen,wenn sie einen Blick mir gibt,ob sie mich noch jetzo liebt?
Den Rosenzweig benagt ein Lämmchen auf der Weide,Es tuts nur sich zur Lust, es tuts nicht ihm zuleide.Dafür hat Rosendorn dem Lämmchen abgezwacktEin Flöckchen Wolle nur; es ward davon nicht nackt.Das Flöckchen hielt der Dorn in scharfen Fingern fest;Da kam die Nachtigall und wollte baun ihr Nest.Sie sprach: – Tu auf die Hand und gib das Flöckchen mir,Und ist mein Nest gebaut, sing ich zum Danke Dir.Er gab, sie nahm und baut, und als sie nun gesungen,Da ist am Rosendorn vor Lust die Ros entsprungen!
An der Birke Stamm gelehnt,Sah ich ihn sich biegen,Und die Wolke weißgedehntÜber ihm sich wiegen;Hin mit ihr zu fliegenHab ich mich empor gesehnt.Lieblich steuerst du dein Boot,Wolke, Götterbote,Angehaucht von Morgenrot,Und vom Abendrote;Stände zu GeboteMir dein Zaubermachtgebot!Dich verwandelnd wie ein Traum,Füllest du die LeereMit Gestalt, den HimmelsraumBald mit Schlacht und Heere,Bald im blauen MeereRagst du Fels, und stiebst du Schaum.Was die Seele wünschen mag,Zeigest du im Bilde,Vor der Sonn am heißen TagDienest du zum Schilde,Und von deiner MildeBettelt Tau der Frühlingshag.
Der Schnee, der gestern noch in FlöckchenVom Himmel fiel,Hängt nun geronnen heut´ als GlöckchenAm zarten Stiel.Schneeglöckchen läutet; was bedeutet´sIm stillen Hain?O komm geschwind! Im Haine läutet´sDen Frühling ein.O kommt, ihr Blätter, Blüt´ und Blume,Die ihr noch träumt,All´ zu des Frühlings Heiligtume!Kommt ungesäumt!
Das Leben magst du wohl vergleichen einem Feste,Doch nicht zur Freude sind geladen alle Gäste.Gar manchen, scheint es, lud man nur, um die BeschwerdeZu übertragen, daß die Lust den andern werde.Den Esel lud man einst zu diesem Hochzeitsschmause,Weil es zu tragen Holz und Wasser gab im Hause.Der Esel dachte stolz, geladen bin ich auch,Jawohl, beladen mit dem Tragreff und dem Schlauch.
Wenn du willst im MenschenherzenAlle Saiten rühren an,Stimme du den Ton der SchmerzenNicht den Klang der Freuden an.Mancher ist, der wohl erfahrenHat auf Erden keine Lust;Keiner, der nicht still bewahrenWird ein Weh in seiner Brust.