Du hast zwei Ohren und einen Mund;Willst du´s beklagen?Gar vieles sollst du hören undWenig darauf sagen.Du hast zwei Augen und einen Mund;Mach dir´s zu eigen!Gar manches sollst du sehen undManches verschweigen.Du hast zwei Hände und einen Mund;Lern´ es ermessen!Zweie sind zur Arbeit undEiner zum Essen.
Gut ist´s, einen Wunsch zu hegenIn der Brust geheimstem Schrein,Mit dem Wahn, an ihm gelegenSei dein volles Glück allein.Gut ist´s, daß der Himmel immerDir verschiebt die WunschgewährDenn beglückt, du wärst es nimmer,Und du hofftest es nicht mehr.
Glücklich ihr, daß ihr der Welt entronnen,Eh das Netz der Wirrung euch umsponnen,Das um die da leben wirft das Leben,Und nicht Einsicht kann´s, nur Tod, entweben.Wie sich Fremden, die sich lieben sollten,Selbst sich wehthun, die sich wohlthun wollten,Und so selten nur sich zwei verstehen,Die zusammen eines Weges gehen.Dieses Streits, mit halberwachtem Sinne,Glückliche, seid ihr nicht worden inne,Und nun seid ihr, wo er euch nicht irret,Ihr entwirrt seht alles was uns wirret.
Ich bin mit meiner Liebevor Gott gestanden,und stellte diese Triebezu seinen Handen.Ich bin von diesen Triebennun unbetreten:Ich kann dich, Liebster,lieben zugleich und beten.
Hoffnung auf Hoffnung geht zu Scheiter,Aber das Herz hofft immer weiter:Wie sich Wog´ über Woge bricht,Aber das Meer erschöpft sich nicht.Daß sich die Wogen senken und heben,Das ist eben des Meeres Leben,Und daß es hoffet von Tag zu Tag´,Das ist des Herzens Wellenschlag.
Die seltne Sprachgewandtheit nichtBesitzt mein Lieb, das junge,Das mit den Augen fert´ger sprichtAls andre mit der Zunge.O welch ein reicher WörterschatzIn diesem offnen Briefe!Da ist ein Blick ein ganzer SatzVon unerforschter Tiefe.Sie haben Liebe blind gemalt,Man sollte stumm sie malen;Die Sprache, die dem Aug´ entstrahlt,Ersetzt des Schweigens Qualen.Das ist die Sprach´, in der alleinDie Seligen in Eden,Die Sprach´, in der im FrühlingshainSich Blumen unterreden.Das ist die Sprache, deren SchriftIm lichten Zug der Sterne,Geschrieben von der Liebe Stift,Durchblinkt die ew´ge Ferne.Die Sprache, vom Verstande nicht,Nur vom Gefühl verstanden,Darum in dieser sich besprichtDie Lieb´ in allen Landen.
Du, dieses Jahres Abend, Herbst,Sei meines Lebensabends Bild!Wie langsam du den Hain entfärbst,Und deine Sonn´ ist frühlingsmild:Es lacht das grünende Gefild Tief im Oktober ohne Frost,Und in der Traube schwillt der Most,Wie in der Brust Begeist´rung schwillt.
Dich verloren zu haben,Ist wohl ein Verlust;Doch gehabt dich zu haben,Ist auch eine Lust.Nicht gehabt dich zu haben,Das wär´ ein Verlust;Dich verloren zu habenWird dagegen zur Lust.
Vorn Glauben gehst du aus und kehrst zurück zum Glauben;Der Zweifel steht am Weg, die Ruhe dir zu rauben.Gehst du ihm aus dem Weg, – er ist auf allen Wegen,In anderer Gestalt tritt er dir dort entgegen.Drum flieh nicht vor dem Feind, und such´ ihn auch nicht auf;Wo er dir aufstößt, räum ihn fort aus deinem Lauf!Bekämpfen mußt du ihn, du mußt ihn überwinden,Willst du durch sein Gebiet den Weg zur Wahrheit finden.Du zweifelst nicht, weil du geworden weiser bist;Zweifel ist die Hüll´, in der die Frucht soll reifen,Und die gereifte Frucht wird ihre Hüll´ abstreifen.
Ich lebe nun mein Leben in Gedanken,Lebendiger als in der Tat es war,Gehoben seh´ ich Hemmungen und Schranken,Hinweggeräumt Verlockung und Gefahr:Daß doch so gut es ging, Gott muß ich´s danken,Nicht besser konnt´ es gehn, viel schlimmer gar.